: Angriff auf Indiens Tante-Emma-Läden
METRO Das Unternehmen will in Asien investieren – und trifft auf eine Lobby von Einzelhändlern
DELHI taz | Es klingt nach einer großen Vision: Mindestens eine Milliarde Euro will das deutsche Handelsunternehmen Metro bis 2015 in neue Groß- und Supermärkte zwischen Pakistan und Japan investieren, allein ein Viertel der Summe in Indien. Das gab am Mittwoch ein Konzernsprecher am Rande eines Indien-Besuchs des Metro-Vorstandsvorsitzenden Eckard Cordes bekannt.
Doch Cordes weiß, dass Wachstumsprojektionen in einem Land wie Indien wenig besagen. „Wir betreiben in Indien weder Zauberei noch Raketenforschung“, warnte er in einem Gespräch mit Journalisten vor übertriebenen Erwartungen. 2003 war Metro das erste internationale Handelsunternehmen, das in Indien einen eigenen Laden für Großhändler eröffnete. Doch bis heute sind nur fünf weitere dazugekommen. Immer wieder gab es Berichte, dass globale Ketten wie Metro und seine Konkurrenten Walmart oder Carrefour im Handumdrehen den indischen Markt erobern könnten. Nichts davon ist bisher eingetreten. Stattdessen sind ausländische Investitionen in den Einzelhandel in Indien nach wie vor untersagt oder nur für Markenanbieter wie Adidas teilweise erlaubt. Dafür sorgt die politisch gut organisierte Lobby des indischen Einzelhandelswesens mit seinen 12 Millionen Tante-Emma-Läden und weiteren Millionen von Zwischenhändlern.
Der teure Vertrieb von Lebensmitteln aber steht in Indien zunehmend am Pranger. Zwischen Januar 2008 und Dezember 2010 stiegen in Indien die Einzelverkaufspreise von Reis in den Städten um 42 Prozent, von Linsen um 46 Prozent und von Zucker um 102 Prozent. Im gleichen Zeitraum stiegen die Gewinne der indischen Groß- und Einzelhändler landesweit jährlich um 135 Prozent. Verlierer sind sowohl Produzenten als auch Konsumenten. Unterernährung bleibt in Indiens Städten auch deshalb ein großes Problem. „Die Bauern bekommen nichts ab von den Profiten, die der Handel den hungrigen urbanen Schichten abknöpft“, kommentierte kürzlich die Wochenzeitung Crest.
Daran will Metro in Indien nun etwas ändern. Beim Aufbau neuer Metro-Läden im indischen Bundesstaat Punjab werde das Unternehmen „für neue Abnahmemöglichkeiten auch für kleine Bauern sorgen“, sagte Metro-Sprecher Michael Inacker. Metro-Vorstandsmitglied Frans Müller ergänzte, in Zukunft werde man für die Ausschaltung zahlreicher Zwischenhändler in Indien sorgen.
Die Zusammenarbeit mit Kleinbauern hatte Metro noch im vergangenen Jahr Kritik von der Nichtregierungsorganisation Oxfam eingebracht. Oxfam hatte behauptet, die Löhne der Landarbeiter von Metro-Lieferanten liege zum Teil unter der Armutsgrenze von 1,25 US-Dollar am Tag. Der indische Metro-Sprecher Vishal Sehgal bestätigte das indirekt, indem er einräumte, das Metro noch nicht überall in Indien Einfluss auf die Lohnpolitik seiner Zulieferer nehmen könne. Allerdings verdienen in Indien fast überall Landarbeiter weit unter einem Dollar am Tag. Georg Blume
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