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Im Zeichen des Atoms

Die Atomkraft hat weltweit Konjunktur und die Uranförderung hält mit dem Bedarf nicht länger Schritt. Der neue Hoffnungskontinent der Bergbaukonzerne heißt Afrika

VON FRANÇOIS MISSER UND DOMINIC JOHNSON

2007 wird das Jahr eines neuen Rohstoffbooms. Uran heißt der Geheimtip der internationalen Bergbauindustrie: Seit 2005 haben sich die Uranpreise fast vervierfacht, von rund 20 US-Dollar pro Pfund auf 72 Ende letzten Jahres. Für dieses Jahr werden weitere Preissprünge prognostiziert, eventuell sogar eine Verdoppelung. Dann würden die Uranpreise das höchste Niveau der Geschichte erreichen.

Hintergrund ist die Wiederbelebung der Atomkraft als Option der CO2-freien Energieproduktion in Industrieländern sowie der Energiehunger der Schwellenländer, vor allem in Asien. Derzeit sind laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEO) 435 Atomreaktoren in 38 Ländern der Welt in Betrieb. In den kommenden fünf Jahren sollen 30 zusätzliche Atomkraftwerke gebaut oder modernisiert werden – in der EU, aber auch in Argentinien, Brasilien, China, Indien, Iran, Kanada, Pakistan, Russland und der Türkei. Bis 2020 will China acht Milliarden Dollar in den Bau von 27 Atomreaktoren stecken, Indien will bis 2012 17 bauen.

In Afrika setzen Südafrika und Libyen auf die Atomenergie – aber auch andere Länder. Die IAEO veranstaltete letzte Woche eine panafrikanische Atomenergiekonferenz in Algerien, von der in afrikanischen Medien vor allem die Feststellung berichtet wurde, auch Afrika habe ein Recht auf die friedliche Nutzung der Atomenergie. Der nächste Staatengipfel der Afrikanischen Union (AU) Ende Januar in Äthiopien soll sich damit offiziell befassen.

Die Uranförderung kommt dem Wachstum der Nachfrage nicht hinterher. Seit mehreren Jahren deckt Uran aus Bergwerken nur 60 Prozent des Bedarfs der Atomenergieproduzenten; der Rest kommt aus staatlichen Lagerbeständen und abgerüsteten Atomwaffen, und diese Quellen werden knapper, berichtet diese Woche die Wirschaftszeitschrift Money Week. In Australien liegen die größten Uranreserven der Welt, aber in den Bundesstaaten Westaustralien und Queensland sind seit vielen Jahren Moratorien auf Uranförderung in Kraft. Die konservative Regierung von Premierminister John Howard würde dies gerne ändern und auch erstmals Atomkraftwerke in Australien bauen.

Davon hängt auch ab, ob ein im April 2006 geschlossener Vertrag zur Lieferung australischen Urans nach China im erwarteten Ausmaß erfüllt werden kann; er wurde sowieso erst am 4. Januar 2007 ratifiziert und soll nächsten Monat in Kraft treten. Eine der größten Uranminen der Welt, Cigar Lake in Kanada, liegt seit einem Wassereinbruch im Oktober still. Von dort wurde bis zur Hälfte des zusätzlichen Uranbedarfs der nächsten fünf Jahre erwartet.

So werden nun neue Fördergebiete gesucht – vor allem in Afrika, dem unerschlossensten Kontinent. In fünf afrikanischen Ländern – Kongo, Niger, Südafrika, Namibia und Algerien – befindet sich zusammen ein Fünftel der Uranreserven der Welt. Im größten Förderland Namibia sind über 20 Bergbaufirmen auf Uransuche, vor allem im Wüstengebiet nahe Swakopmund. „Namibia scheint eine strahlende Zukunft zu haben“, schrieb die größte namibische Tageszeitung The Namibian gestern auf der Titelseite nach einem erneuten Uranfund von West Australian Metals. Die ebenfalls australische Paladin Resources will in der Uranmine Heinrich in Namib-Wüste jährlich 1.200 Tonnen fördern; Umweltschützer fürchten Schäden für das fragile ökologische Gleichgewicht des Naukluft-Nationalparks. Aber die Bergbaufirmen haben politische Unterstützung: Die kanadische Forsys Metals hat als Partner ein Unternehmen des Sohnes von Namibias ehemaligem Staatspräsident Sam Nujoma gewonnen, die Ancash Investment von Zacky Nefungo.

In Niger, aus dem die EU fast ein Siebtel seiner Uranimporte bezieht, droht die bisherige Dominanz des Urangeschäfts durch die ehemalige Kolonialmacht Frankreich ins Wanken zu geraten. Bisher leisten zwei Unternehmen, beides Filialen der französischen Areva-Gruppe, die gesamte Uranförderung Nigers – Somair, die als einen Teilhaber die deutsche Urangesellschaft hat, und Cominak. Aber im Juli unterschrieb Chinas staatliche China National Nuclear Corporation ein Konzessionsabkommen über 3.700 Quadratkilometer nigerianisches Territorium in Madaouéla und Teguidda. Drei kanadische Firmen – North Atlantic Resources, Greencastle Resources und Bayswater Ventuers – haben letzte Woche ebenfalls Uranprospektionsgenehmigungen in Niger erhalten.

In Südafrika erwartet die kanadische Firma Uranium One, dass ihre neu erschlossene Uranmine Dominion eine der fünf größten der Welt wird, wenn demnächst die Förderung beginnt. Diese Mine ist zugleich eine Goldgrube: Förderkosten sollen bei 14,5 Dollar pro Pfund liegen – ein Fünftel des Verkaufspreises. Afrikas Uran-Rush betrifft noch zahlreiche weitere Länder: Algerien, Madagaskar, Malawi, Tansania, Guinea, Mauretanien, Nigeria und Uganda. Meist sind australische und kanadische Bergbaufirmen aktiv.

Die internationalen Rohstoffmärkte verfolgen Afrikas Uranboom mit Argwohn. Im Bürgerkriegsland Zentralafrikanische Republik soll bereits die US-Regierung interveniert haben, damit die Uranmine Bakouma im Norden des Landes nicht an chinesische Interessen fällt. Stattdessen ist dort nun Uranmin aus Südafrika am Zuge. Mit jeder neuen Uranförderstätte in schwer kontrollierbaren Gegenden und jedem Neueinsteiger in die Förderung steigt außerdem das Proliferationsrisiko. Aus Sorge, dass Uran aus neuen Förderstätten in die falschen Hände geraten könnte, hat die IAEO mit den großen Uranförderunternehmen Gespräche aufgenommen, um den Sektor insgesamt besser zu überwachen.

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