IN LATEINAMERIKA SUCHT AHMADINEDSCHAD VERBÜNDETE GEGEN DIE USA: Antiimperialistische Feuerkerzen
Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad nutzt den Linksruck in Lateinamerika auf seine Weise: Mit seiner Reise nach Venezuela, Nicaragua und Ecuador wollte der Islamist demonstrieren, dass er international keineswegs so isoliert ist, wie dies Washington gerne hätte. Denn wie schon der Irakkrieg, stößt auch die Politik der US-Falken gegenüber Iran in Lateinamerika quer durch sämtliche politischen Lager auf fast einhellige Abstimmung.
Mit Hugo Chávez aus Venezuela verbindet Ahmadinedschad sogar eine offenbar ziemlich herzliche Männerfreundschaft. Rund 120 bilaterale – vor allem wirtschaftliche – Abkommen gibt es zwischen dem südamerikanischen Land und dem Iran; errichtet wurden etwa gemeinsame Traktor- und Fahrradfabriken. Innerhalb der Opec setzen sich beide Regierungen für eine Drosselung der Erdölproduktion ein, um einen weiteren Verfall der Erdölpreise zu bremsen. Gegen diese Art der Süd-Süd-Kooperation ist wenig einzuwenden – und auch nicht gegen die Kritik, dass für die iranische Atompolitik ganz andere Maßstäbe gelten sollen als für jene von westlichen oder prowestlichen Staaten, die beide eint. Problematisch wird es bei der vermeintlichen Identität der geostrategischen Interessen, die jetzt wieder durch antiimperialistische Feuerkerzen untermauert wurde.
Gemeinsam fühlt man sich im Kampf gegen die USA einfach stärker. Neben Evo Morales aus Bolivien werden jetzt auch Daniel Ortega in Nicaragua und Rafael Correa in Ecuador immer wieder die rhetorische Keule gen Norden schwingen – schon, um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken. Dass ihr „revolutionärer“ Kollege Ahmadinedschad auf der anderen Seite des Globus ein Gesellschaftsprojekt verfolgt, das einem modernen Sozialismus in nahezu allen Punkten widerspricht, ist ihnen hingegen kein Sterbenswörtchen wert.
Letztlich schneiden sich die rosaroten Latinos damit ins eigene Fleisch: Indem sie die Welt in ein schiefes Freund-Feind-Schema pressen, verscherzen sie sich Sympathien und womöglich politische Unterstützung, ohne die ihre eigenen Projekte wie auch eine sozial ausgerichtete lateinamerikanische Integration langfristig kaum umzusetzen sein werden. GERHARD DILGER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen