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Fortsetzung folgt

GENTRIFIZIERUNG Der Film „Hausbau auf St. Pauli“ dokumentiert den Konflikt um den Abriss der Esso-Häuser. Dieser ist noch lange nicht zu Ende

In den Esso-Häusern lebt zum Beispiel Evi Madejski, eine nette ältere Dame mit Tattoos auf den Armen

Über zwei Jahre lang haben die Filmemacher Irene Bude, Olaf Sobczak und Steffen Jörg den Konflikt um die Esso-Häuser auf St. Pauli begleitet. Zwar wurden die Häuser vom Investor Bayerische Hausbau mittlerweile abgerissen, aber vorbei ist ihre Geschichte damit noch lange nicht. So jedenfalls sehen es die Filmemacher, die ihren Film als „work in progress“ verstehen und dementsprechend immer nur Arbeitsergebnisse zeigen. Heute wird ein gut 90-minütiger Rohschnitt des Materials die Filmnächte am Millerntor eröffnen.

Das Prinzip des ständigen Fortsetzens und Veränderns ergibt auch deshalb Sinn, weil die Filmemacher sich nicht nur als Chronisten, sondern auch als Teil der Bewegung gegen die Gentrifizierung von St. Pauli verstehen. 2009 hatten sie mit „Empire St. Pauli“ schon einen Film zu diesem Thema gemacht. „Hausbau auf St. Pauli“ haben sie zum Teil mit Crowdfunding über ein Aktionsnetzwerk finanziert.

Der Film folgt einer Handvoll von Protagonisten, die als Mieter oder Pächter in den Esso-Häusern gewohnt und ihr Gewerbe betrieben haben. Da ist zum Beispiel Evi Madejski, eine nette ältere Dame mit Tattoos auf den Armen. Herr Vagt betrieb das Auto-Hotel seit den 1970er-Jahren, Vlatko war der Wirt des Planet Pauli und Ruth Oberdick war 52 Jahre lang Mieterin. Die Esso-Häuser waren ihre Heimat, und der Film zeigt, wie sie sich zuerst selbstbewusst gegen den drohenden Abriss zur Wehr setzen, durch die Evakuierung im Dezember letzten Jahres schockiert sind und sich in den letzten Aufnahmen des Film mehr schlecht als recht in den neuen Verhältnissen eingerichtet haben.

Es gibt kurze Exkursionen nach Venedig, wo die Kampagne 2012 auf der Architektur Biennale vorgestellt wurde und nach Paris, wo ein ähnlicher Bau nicht abgerissen, sondern erfolgreich restauriert wurde. Kleine Lektionen zur Vergangenheit des 1961 errichteten Gebäudes, dessen viele verschiedene Nutzungen und die finanziellen Verpflichtungen der Investoren werden in kleinen, handgemachten Animationssequenzen mit Bauklötzen, Pappfiguren und gemalten Schildchen gegeben.

Nebenbei vermittelt der Film auch viel vom Lebensgefühl auf dem Kiez und davon, wie grundlegend sich dieses in den letzten zwei Jahren geändert hat.  HIP

„Hausbau auf St. Pauli“: 10. 7., 22.15 Uhr, Millerntor-Stadion

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