: „Unsere Musik kann nicht intelligent sein“
DANCECORE Driver & Driver spielen übersteuerten Electro-Punk, grölen gegen Gentrifizierung und stehen zur eigenen Ratlosigkeit
■ spielen auf ihrem Debütalbum „We Are The World“ bösartig rumpelnden Electro-Punk. Ihre Songtexte behandeln Evergreens wie Gentrifizierung, Konsumwahn und die Überforderung des Menschen in der modernen Welt.
■ Patric Catani (35) wuchs in Köln auf, lebt seit 1995 in Berlin und spielte bei E de Cologne und EC8OR, produzierte für die Puppetmastaz und veröffentlicht immer noch als Candie Hank.
■ Chris Imler („nicht mehr ganz jung, aber auch noch nicht alt“) wuchs in Augsburg auf, lebt seit 1985 in Berlin und spielte Schlagzeug bei Golden Showers, für Soffy O., Peaches und Electronicat, produzierte für Jens Friebe, Neoangin und die Puppetmastaz, arbeitet fürs Theater, baut Klanginstallationen und veröffentlicht auch noch als Chris Imler.
■ Driver & Driver: „We Are The World“ (Staatstakt/Rough Trade), 1. 4. live im Levee Club
INTERVIEW THOMAS WINKLER
taz: Wann sind Sie das letzte Mal zusammen geflogen?
Patric Catani: Vor zwei, drei Monaten.
Und: Gut durch die Sicherheitskontrollen gekommen?
Catani: Wir? Klar, warum nicht?
Ihr Label behauptet, Driver & Driver seien eine „kleine, chaotische Terror-Einheit“.
Catani: Das haben wir ja nicht geschrieben, sondern das Label, und das heißt ja Staatsakt. Nein, für Terror sind wir zu alt. Wir sind eher für den Staatstakt zuständig. (allgemeines Gelächter) Chris Imler: Wenn, dann sind wir die Terroreinheit des Guten. Die schöne Seite des Terrors, das sind wir.
Schön? Ihre Musik ist nicht gerade Chill-out-geeignet.
Catani: Chill-out muss ja nicht schön sein. Eher im Gegenteil: Von dem, was einem als Chill-out-Musik verkauft wird, kriege ich schlechte Laune.
Imler: Aber sind wir rebellisch? Ja klar. Weil wir nicht alles durchwinken, worüber man sich aufregen kann. Unsere Musik ist sehr positiv, das ist keine Anleitung zum Unglücklichsein.
Ihre Musik soll keine Aufforderung zum Widerstand sein?
Catani: Jedenfalls prügeln wir nicht mit dem Moralhammer auf die Leute ein. Wir sehen Dinge hier in Berlin, die definitiv schieflaufen, und damit gehen wir um. Gentrifizierung ist da nur ein Aspekt, andere sind Plastikterror und Konsumwahn. Aber ich glaube nicht, dass irgendjemand, der unser Album hört, von uns angeleitet wird, einen Media-Markt in die Luft zu jagen.
Imler: Aber vielleicht gibt er seinen DVD-Player zurück? Wir sind doch nicht naiv. Auch wir sind Mitverursacher der Gentrifizierung, auch wir sind Konsumenten in einer Warenwelt, auch wir leben im Überfluss. Mit einer rebellischen Geste zu sagen: „Das lehnen wir ab“, das ist eine wahnsinnig gemütliche Position. Aber wir überhöhen diese Haltung, gerade weil sie ständig in der Popmusik vorkommt.
Catani: Ich bin Musiker, kein Politiker. Klar spiegelt sich unsere Haltung auch in der Musik wieder.
Imler: Natürlich geht es in einem Song wie „Kampf im Kulturkaufhaus“ nicht nur um das Kaufhaus, sondern auch um einen weiter gefassten Kulturraum: Wissen als Munition im Krieg um Macht und Sex. Wir haben also schon viel auszusetzen, aber wir haben keine konkrete politische Agenda. Und ich bin schon seit 15 Jahren in keiner K-Gruppe mehr.
Geben Sie dem unlängst zum Unwort des Jahres gewählten „Wutbürger“ eine Stimme?
Catani: Natürlich hoffen wir, dass unser Album den Nerv der Zeit trifft. Und natürlich schreibt man solche emotionalen Texte nicht, ohne eine gewisse Wut zu haben. Aber jeder kann unsere Songs so hören, wie er will. Wir wollen ja nicht ständig zum Kampf auffordern. Es bleibt Rock ’n’ Roll.
Imler: Ich finde auch, wir sind keine Politgruppe. Aber natürlich …
Catani: ist es bereits ein politischer Akt, wenn man den Müll runterbringt?
Imler: Aber natürlich regen wir uns auch über Sachen auf. Aber das sind doch vor allem Zustandsbeschreibungen und keine Handlungsanweisungen. Auf diesem Album geht es ja auch um Ratlosigkeit. Zum Beispiel in „Fluch nach vorn“: „Ich weiß, ich weiß, ich weiß es nicht.“
Liegt die Botschaft dann eher in der Musik?
Imler: Wenn man unsere Plattensammlungen insgesamt nimmt, die sind wahnsinnig breit gefächert. Wir schrecken selbst vor Klassik nicht zurück. Und wenn man uns einen Posaunenchor gäbe, dann würden wir mit dem was machen.
Catani: Chris und ich kommen nicht nur aus verschiedenen Generationen, auch unsere Backgrounds sind ja völlig verschieden. Chris kommt von Punk, Rockabilly und Garage Rock. Bei mir ist es Electro, HipHop, Gabba, Breakbeat, Acid House. Das sind so viele verschiedene Subgenres …
Imler: Und die hauen wir zusammen.
Catani: Chris hat nur leider oft seinen eigenen Kopf.
Imler: Ja, mit ihm ist Musikmachen auch wirklich ganz schlimm.
Ist der Party-Aspekt der kleinste gemeinsame Nenner Ihres Schaffens?
Catani: Vielleicht.
Sind sie Die Atzen für die kreative Boheme Berlins?
Catani: Ja, den Vergleich haben wir schon gehört. Und natürlich ist unsere Musik auch eine Aufforderung zum Tanzen.
Würden Sie auf Mallorca spielen?
Catani: Ich habe schon mal auf Mallorca aufgelegt. In einem sehr geschmackvollen Club.
Wenn der Bierkönig aus der Schinkenstraße anruft?
Catani: Der würde nicht anrufen. Und wenn, dann würden wir absagen. Wir wollen nicht vor einer archaischen, tierischen Masse spielen – nicht mal für Vollpension.
Imler: Da würde sich uns nur der Magen umdrehen. Und man darf nicht vergessen: Die Drinks dort sind warm. (großes Gelächter)
Anders gefragt: Ist intelligente Bum-bum-Musik möglich?
Catani: Ich sage: Ja. Machen wir nicht intelligente Bum-bum-Musik?
Imler: Ich sage: Nein. Denn wir machen keine Bum-bum-Musik.
Catani: Da stellt sich natürlich wieder die Frage: Kann Musik überhaupt intelligent sein?
Imler: Natürlich nicht.
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