herr tietz macht einen weiten einwurf: Ohrenbehämmernde Kakofonie
FRITZ TIETZ will sich sich nicht so recht für die Handball-WM begeistern, obwohl er selbst einst für die TG Schildesche auflief
Nach einem aktuellen deutschen Nationalhandballer befragt, hätte ich genauso passen müssen wie jene 81,2 von 100 repräsentativ ausgewählten Deutschen, die für eine unlängst erhobene Erhebung mit ebendieser Frage behelligt wurden. Das aber immerhin hätte ich gewusst: dass die morgen startende Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfindet. Ich wurde aber weder das eine noch das andere gefragt. Und selbst wenn. Da ich mich eh jeder Demoskopie verweigere, wäre es wohl auch bei der Frage nach dem Ausrichterland beim jetzigen Endergebnis geblieben: 70,9 Prozent der Befragten hatten da keinen Schimmer. Oder mussten erst ihren Mann fragen.
Obwohl ich zu den statistischen 128 von 1.000 Deutschen gehöre, die das mit der Weltmeisterschaft in Deutschland wussten, wurde ich nicht vom WM-Fieber gepackt. Ich habe mich jedenfalls nicht um Eintrittskarten bemüht, mir keine Handballer-Sammelbildchen gekauft, geschweige denn eine Deutschlandfahne ans Auto geklemmt. Könnte sein, dass ich beim Zappen zufällig bei einem der TV-übertragenen WM-Spiele hängen bleibe. Was ich aber auch täte, wenn die WM sonst wo stattfände. So gesehen hätte man die Wo-Frage auch so beantworten können: Im Fernsehen. Damit liegt man ja meistens richtig.
Handballspiele im Fernsehen kann ich allerdings nur ohne Ton ertragen. Die Geräuschekulisse, die einen dabei anprallt, ist einfach zu nervtötend. Es müssen ganze Batterien riesiger Pauken sein, die da die Handballschlachtenbummler in einer Tour schlagen. Zu diesem ohrenbehämmernden, von rhythmischem Händeklatschen und tumbem Gejohle unterfütterten Lärm kommt das ständige Quietschen der auf dem Geläuf sich abreibenden Schuhsohlen der Spieler. Die hochfrequenten Pfeifentöne nicht zu vergessen, mit denen die Schiris diese zermürbende Kakofonie vervollkommnen. Die allenfalls von einer akustischen Zumutung noch übertroffen wird: einem Liederabend mit Wolf Biermann.
Der infernalische Zuschauerkrach ist maßgeblich der Grund dafür, dass ich bei keinem Handballspiel leibhaftig anwesend sein möchte. Mögen andere diesen Radau als tolle Stimmung preisen. Mir käme er vermutlich eher wie eine fortgesetzte Menschenrechtsverletzung vor. Fehlte nur noch, dass sie bei jeder Spielunterbrechung krachend laute Musikfetzen durch die Halle orgeln lassen, wie das ja zuweilen beim Eishockey der Fall ist. Wie bitte? So machen sie es demnächst auch beim Handball? Hab ich mir gedacht. Handballaballa!
Gedacht habe ich dieser vorweltmeisterlichen Tage übrigens auch häufiger mal meiner eigenen Handballervergangenheit. Friede sei mit ihr. Denn wahrlich, es ist schon ein paar Jahrzehnte her, dass ich aktiver Handballer war. Drei, vier Jugendspielzeiten in Diensten der TG Schildesche, eines kleinen Bielefelder Stadtteilvereins. Eine prima Truppe, die sich da gefunden hatte und sogar zweimal die Woche trainierte, ihrem Verein jedoch keine nennenswerten Erfolge bescherte. Genau genommen verloren wir unsere Spiele überwiegend. Was aber, noch genauer genommen, kein Wunder war, da wir beim Training lieber Fußball spielten statt, wie es der Trainer immer wieder vergeblich anregte, unsere Wurftechnik zu verbessern oder komplizierte Taktiken einzustudieren.
Die einzige Spielvorbereitung, der wir uns ausgiebig widmeten, bestand darin, uns für den vor Anpfiff üblichen Gruß an Schiedsrichter und Gegner immer neue Begrüßungsformeln auszudenken. Keine Ahnung mehr, wie die gingen. Mit „Zickezacke, hoi, hoi, hoi“ oder Ähnlichem gaben wir uns jedenfalls nicht zufrieden. Trotzdem war da mindestens eine Mannschaft, die noch schlechter spielte als wir: Dornberg. Die haben wir regelmäßig abgeledert. Nur als unser Stammtorwart nach einem Sägeunfall mehrere Monate pausieren musste, haben sie uns einmal schlagen können. Als dann aber unser Keeper – obwohl nur mehr mit zwei Fingern an der Rechten ausgestattet – wieder unser Tor hütete, war es mit Dornbergs Herrlichkeit vorbei.
Gerade fällt mir sein Name ein: Kolenda hieß er. Einen aktuellen deutschen Nationalspieler könnte ich dagegen immer noch nicht benennen.
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