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Im Schatten

Am vergangenen Mittwoch ist der Publizist und Herausgeber Uwe Nettelbeck gestorben

Legendäre Typen erkennt man an den Folgen ihres Tuns und daran, dass all die Geschichten, die über sie kursieren, Unschärfen an ihren Rändern haben. Uwe Nettelbeck, der am vergangenen Mittwoch im Alter von 67 Jahren gestorben ist, war so jemand. Eine graue Eminenz, über die nicht viel mehr bekannt war, als dass er in einem schönen Haus in Frankreich lebt. Wer Nettelbeck kannte, redete nicht drüber. Alle anderen blieb nichts als die Zufallsbekanntschaft des Buch-, Platten- oder Zeitschriftenfunds.

Die große Nettelbeck-Legende beginnt im Jahr 1969, als er von der Plattenfirma Polydor gebeten wird, sich im deutschen Rock-Untergrund nach dem neuen heißen Ding umzuschauen. Wie es genau zugegangen ist, darüber gibt es viele verschiedene Geschichten, heraus kommt auf jeden Fall die wegweisende Band Faust, eine der enigmatischsten Krautrockgruppen.

Nettelbeck produziert sie nicht nur, ihm gelingt es auch die Plattenfirma immer wieder aufs Neue davon zu überzeugen, Unsummen von Geld für Faust auszugeben, ohne dass sich je ein kommerzieller Erfolg abzeichnen würde.

Seinen Beitrag zu dem legendären Pop-Reader „Trivialmythen“ von 1970 kann man auch als einen der Gründungstexte von dem lesen, was heute so gerne Popliteratur genannt wird: Der Text besteht aus einer endlosen Liste von Nettelbecks beeindruckender Schallplattensammlung.

Zusammen mit seiner Frau Petra gründete er die Zeitschrift Die Republik, die sich der literaturgeschichtlichen Tiefenbohrung verschrieb, sich so unterschiedlichen Autoren wie Franz Jung, Herman Melville und Gustave Flaubert widmete und für ihre Polemik gefürchtet wurde.

Mit großem Rigorismus wusste Uwe Nettelbeck zu verdammen: Am liebsten ließ er die Verdammten selbst sprechen, collagierte ihre Aussagen zu Kunstwerken zusammen, in denen sie sich selbst richteten – wobei der kleine Satz im Impressum der Republik, dass die Herausgeber es sich vorbehielten, Abonnements zu verweigern, nicht nur eine coole Geste war. Er war auch reale Drohung.

Einige seiner Zerwürfnisse hat Nettelbeck in der Republik dokumentiert, andere nicht.

TOBIAS RAPP

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