: Tennis ohne Identifikationsfigur
WILDCARD Turnier am Rothenbaum fehlt dieses Jahr der Glanz, die Hoffnung ruht auf einem 17-Jährigen
MICHAEL STICH, TURNIERDIREKTOR
Das offizielle Plakat zum Tennisturnier am Hamburger Rothenbaum ist gelungen. In goldenen Farbtönen sind einige Wahrzeichen der Stadt zu sehen: der Michel, das Rathaus, die Köhlbrandbrücke. Sie bilden den Rahmen für einen Tenniscourt, auf dem ein Mann eine Vorhand schlägt. So mancher dürfte rätseln, um wen es sich da handelt.
Es ist der Spanier David Ferrer. Er ist das Zugpferd des renommiertesten deutschen Tennisturniers, das heute beginnt – und das ist das Problem der Veranstaltung. Ferrer ist die Nummer sieben der Weltrangliste. Vielen Sportinteressierten ist sein Name noch ein Begriff, aber sonst hat der Sandplatzspezialist nahezu keinen Wiedererkennungswert. Kurzum: Dem Turnier fehlt das Gesicht.
Vor einem Jahr verschaffte Roger Federer dem Rothenbaum Glanz. Und Tommy Haas nahm einen erneuten Anlauf, um das Turnier in seiner Geburtsstadt zu gewinnen. Er kam nur bis ins Viertelfinale. Dieses Mal sind Federer und Haas nicht dabei. Haas musste Turnierdirektor Michael Stich wegen einer Schulterverletzung absagen, Federer gönnt sich nach dem Wimbledon-Finale ein wenig Erholung. Auch der Spanier Rafael Nadal sagte ab.
Die Hoffnungen liegen nun auf dem 17-jährigen Hamburger Alexander Zverev. Der 1,99-Meter-Schlaks hat gerade das Challenger-Turnier in Braunschweig gewonnen und damit in der Weltrangliste einen großen Satz nach vorn machte, von Rang 665 auf Position 285. „Das ist eine bemerkenswerte Leistung von Sascha und wird ihm für sein Heimspiel am Rothenbaum zusätzlich Selbstvertrauen geben“, sagte Stich.
Zverev ist ein Versprechen für die Zukunft. Endlich, so scheint es, reift im deutschen Herren-Tennis wieder ein Talent heran, dem es zuzutrauen ist, zu einem Top-Ten-Spieler zu werden. Stich hat den Australian-Open-Sieger der Junioren gleich mit einem Fünfjahresvertrag an das Hamburger Turnier gebunden. Er stattet ihn mit Wildcards aus, damit er die Qualifikation nicht spielen muss. Zugleich versucht er, die Erwartungen zu dämpfen. „Sascha hat definitiv Potenzial. Aber einen Ausblick zu wagen und ihn als Heilsbringer des deutschen Tennis anzusehen, wäre ihm gegenüber nicht gerecht“, sagte Stich. Lob erhielt Zverev auch von John McEnroe: „Er ist noch etwas dünn, aber er hat ein gutes Spiel und wird seinen Weg gehen. Ich bin mir sicher, dass er bei den Großen mitmischen wird.“
„Mein Traum ist es, irgendwann einmal ein Grand-Slam-Turnier bei den Großen zu gewinnen“, sagte Zverev. Im nächsten Jahr will er unter den Top 150 stehen. Auf seinem Weg nach oben könnte er schon bald zum Gesicht des Turniers am Rothenbaum werden. CHRISTIAN GÖRTZEN
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen