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Freund aller Fußballer

Michel Platini (51) will morgen zum Uefa-Präsidenten gekürt werden. Um den Schweden Lennart Johansson auszustechen, hat sich der Franzose der Methoden seines Mentors Joseph Blatter bedient

AUS DÜSSELDORFANDREAS RÜTTENAUER

Michel Platini will’s wissen. Sein Ziel: das höchste Amt im europäischen Fußball. Morgen wählt der Kongress des Europäischen Fußballverbandes (Uefa) einen neuen Präsidenten. Der Europameister von 1984 tritt gegen Lennart Johansson an (siehe Text unten). Seit 2002 befindet sich Platini im Wahlkampf. Dabei präsentiert sich der Franzose als der große Humanist des Fußballs. Platini, das menschelnde Gewissen des reinen Sports. Die ehemalige Nummer zehn der französischen Nationalmannschaft und von Juventus Turin gibt den Antifunktionär, der zuerst an die Spieler denkt – und dann erst an den Verband. Sein Wahlkampf war in dieser Hinsicht durchaus erfolgreich. Die Vereinigung der Spielergewerkschaften (Fifpro) hat sich für Platini ausgesprochen. Etliche Fußballhelden vergangener Zeiten haben sich ebenfalls auf die Seite des Franzosen geschlagen. Johan Cruyff und Dino Zoff setzten sich lautstark für Platini ein. Sie glauben an die Inszenierung Platinis als Funktionär der Spieler.

Dabei ist die sportpolitische Karriere des Mittelfeldspielers, der dreimal zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde, mittlerweile beinahe ebenso lang wie die des Sportlers. Nach der Fußball-WM 1990 in Italien hat Platini einen Job im Umfeld des Weltfußballverbandes (Fifa). Er wurde „Berater“. Joseph Blatter, damals Fifa-Generalsekretär, machte sich stark für den Franzosen. Noch heute ist Platini persönlicher Berater von Blatter, der 1998 zum Fifa-Präsidenten gewählt wurde. Platini stand im selben Jahr an der Spitze des Organisationskomitees der WM in Frankreich. Heute ist er Vizepräsident des französischen Fußballverbandes (FFF). Zudem ist er Mitglied in den Exekutiv-Komitees der Fifa und der Uefa. Seine Funktionärslaufbahn ist gut geplant. Beraten lässt er sich, wie es sich für einen französischen Politprofi gehört, von zwei so genannten Enarchen, Absolventen der Elitehochschule für öffentliche Verwaltung (Ena): Jacques Lambert, Geschäftsführer der FFF, und Jean-Louis Valeatin, ehemals Bürochef des Präsidenten der französischen Nationalversammlung, Jean-Louis Debré – von der konservativen UMP.

„Ich werde es den Spielern und Klubs ermöglichen, an allen Entscheidungen mitzuwirken. Mein Programm steht für: Universalität, Solidarität und sozialen Umgang miteinander“, sagte Wahlkämpfer Platini vor seiner Abreise nach Deutschland. Immer wieder redet er über die Fußballfamilie, die zusammenhalten müsse. Auch sein mächtigster Unterstützer, Fifa-Boss Joseph Blatter, spricht gerne von der Fußballfamilie.

Platini hat sich vom Schweizer einiges abgeschaut. Der 51-Jährige begab sich auf Wahlkampftour nach Moldawien und Armenien. Auf einer seiner Reisen an den östlichen Rand Europas sagte er, die Champions League, die unter der Ägide Johanssons eingeführt wurde, könne wieder abgeschafft werden. Die Klubs aus kleineren Verbänden sollten die Möglichkeit erhalten, wieder einmal gegen die großen Vereine aus dem Westen zu spielen. Es blieb nicht viel übrig von dieser Forderung: Nun sollen sich nicht mehr als drei Klubs aus einem Verband für die Champions League qualifizieren können, so die aktuelle Forderung. Platini sagt in Anspielung auf den US-Sport: „Ja zu einer offenen Champions League, nein zu einer geschlossenen Pseudo-NBA.“

Der französische Kandidat versuchte sich immer auch als Kritiker des Kommerzes zu inszenieren. Das ist bei den ärmeren europäischen Verbänden gut angekommen. Doch Platini weiß, dass er das Rad nicht zurückdrehen kann. „Europa wird weiterhin die Lokomotive des Weltfußballs sein“, sagt er. Die Mitglieder im Zusammenschluss der großen europäischen Klubs, der G 14, brauchen also keine Angst zu haben vor der Machtergreifung des Fußball-Humanisten.

Platini hat den Kleinen also viel versprochen, er wird – sollte er gewählt werden – nur wenig halten können. Auch seinem Freund Blatter ist es da nicht anders gegangen. Der pflegt seine Unterstützer aus den fußballerischen Entwicklungsländern mit kleinen Gaben an sich zu binden. Ein guter Mensch – wie Platini.

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