: Ahtisaaris heikle Mission
Mit Unruhe warten Serben und Albaner auf den Vorschlag des UN-Unterhändlers für den künftigen Status des Kosovo
Aus Sarajevo Erich Rathfelder
Martti Ahtisaari weiß, Diskretion ist die erste Tugend des Diplomaten. Entsprechend verschwiegen verhält sich der Kosovo-Unterhändler der Vereinten Nationen derzeit. Gestern stellte er seinen Plan für den künftigen Status der serbischen Provinz in Wien der sogenannten Kontaktgruppe vor. In die Öffentlichkeit ging er damit aber nicht; zuerst will er die Konfliktparteien, die Führung der Albaner des Kosovo und die serbische Regierung, am 2. Februar informieren.
Ahtisaari muss beide Seiten von einem goldenen Mittelweg überzeugen. Die albanischstämmige Bevölkerungsmehrheit dringt auf vollständige Unabhängigkeit der Provinz von Serbien, was Belgrad strikt ablehnt. In der internationalen Gemeinschaft gibt es Befürchtungen, dass die Debatte über den endgültigen Status gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen den albanischen Kosovaren und der serbischen Minderheit provozieren könnte. „Bedingte Unabhängigkeit“ ist daher seit Wochen die diplomatische Formel für eine Lösung des Konflikts.
Seit 1999 ist die Autonomie des Kosovo eine offene Frage. Nach den Nato-Angriffen auf Serbien 1999 etablierte die UN dort ein Protektorat. Die Kontaktgruppe steuert die internationale Kosovopolitik; zu ihr gehören außer Russland und Deutschland die USA, Frankreich, Großbritannien und Italien.
Doch trotz aller Geheimhaltung: Was „bedingte Unabhängigkeit“ heißen könnte, zeichnet sich in Eckpunkten bereits ab. Das Kosovo wird vermutlich in Zukunft eine weitreichende Autonomie erhalten, die diplomatischen Kontakte zu anderen Staaten und die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen einschließen soll, sagen Beobachter. Die Delegation der Albaner hat bei dem seit Februar letzten Jahres anhaltenden Verhandlungsmarathon mit Serbien nach diplomatischen Quellen offenbar auch durchsetzen können, dass Kosovo einen Sitz in der UN erhält, was ein wichtiges Zeichen seiner Souveränität wäre. Den einzelnen Mitgliedsländern der UN soll es freistehen, das Land diplomatisch anzuerkennen.
Viele Hürden für die wirtschaftliche Entwicklung Kosovos sollen fallen, heißt es über den Ahtisaari-Plan weiter. Vor allem die Privatisierung des ehemaligen Staatseigentums könnte vorangetrieben werden. Als Kompensation sollen die fast 2 Millionen Albaner die Minderheitenrechte der rund 100.000 Serben, die immer noch im Kosovo leben, anerkennen. Die serbische Minderheit wird in Zukunft über von der UN anerkannte, eigene und von ihnen auch polizeilich kontrollierte Territorien verfügen. Zudem werden um die historischen orthodoxen Kirchen der Serben sogenannte Schutzzonen errichtet.
Relativ sicher ist auch: Die wichtigsten der bisher von Serben kontrollierten 14 über das Kosovo verteilten Enklaven, die vor allem im Osten und Norden des Landes liegen, werden miteinander verbunden und damit für die Rückkehr von weiteren zehntausenden Serben attraktiv gemacht. Die sollen auch Kulturhoheit erhalten, was eigene Schulen und den Ausbau der Universität in Mitrovica einschließt. Ginge es ganz nach den Belgrader Wünschen, würde das von Serben kontrollierte Territorium künftig fast 20 Prozent des Kosovo umfassen.
Der serbische Staat würde also große Einflussmöglichkeiten im Kosovo erhalten. Damit entstünde ein Staat im Staate oder eine serbische Teilrepublik ähnlich der in Bosnien und Herzegowina, monieren Kritiker auch innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Bisher habe sich die Mehrheit der Serben geweigert, in den Institutionen Kosovos, etwa dem Parlament und der Regierung, mitzuarbeiten. Mit dem Vorschlag Ahtisaaris würde das Land unter ethnischen Kriterien aufgeteilt.
Unter den Albanern des Kosovo haben die Aufteilungspläne bereits eine breite Diskussion ausgelöst. Mit Minderheitenrechten hätten sie nichts zu tun, erklärt die oppositionelle Bewegung „Selbstbestimmung“. Denn den anderen, vor allem im Westen des Landes lebenden Minderheiten im Lande, den slawischen Muslimen wie den Goranj und den Bosniaken, der türkischen Minderheit oder den Roma werden keine eigenen Territorien zur Verfügung gestellt. Weiterhin würden durch die territorialen Zugeständnisse tausende von Albanern wieder unter serbische Herrschaft geraten. Es ginge also nicht um Minderheitenrechte der Serben, sondern um den Einfluss Serbiens in dem künftigen politischen Gebilde Kosovo. Dies dürfe nicht zugelassen werden.
Die internationale Gemeinschaft bereitet sich schon darauf vor, dass der Konflikt wieder hitzig wird. Beim Außenministertreffen der Nato in Brüssel erklärte Nato-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer gestern, es gehe jetzt um die Frage, wie die Nato ihre „Schlüsselrolle in der Untermauerung des politischen Prozesses“ im Kosovo fortsetzen könne. Man solle „zivile und Sicherheitskräfte“ besser koordinieren. Im Klartext: Die unter Nato-Kontrolle stehenden KFOR-Truppen sollen sich auf Unruhen vorbereiten.
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