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ADAC-Jacken von Prince Charming

Der Berliner Modezar Heinz Oestergaard entwarf nach dem Krieg Kleider für deutsche Filmstars und „Quelle“-Kunden. Ein Buch würdigt den massenkompatiblen Avantgardisten  ■ Von Petra Brändle

Will sich der Berliner schick machen, trägt er eine Kunstlederjacke zum Trainingsanzug, spottet die Süddeutsche Zeitung. Zu Recht. Berlin-Besuchern wird auch von dieser Seite aus nahegelegt, sich gegen Alltagsentgleisungen wie buntbedruckten Leggins zu immunisieren. Andernfalls muß ein Besucher wie Heinz Oestergaard entdecken, daß „die Berliner“ einfach schlecht angezogen sind. Keine Beschönigung.

Der einstige Berliner Modezar weilt kurz vor seinem 80. Geburtstag anläßlich einer Buchveröffentlichung wieder einmal in seiner Heimatstadt. Als Spezialist für den einstmals berühmten „Berliner Pfiff“ empfiehlt er „Raffinesse mit modernen Mitteln“, beispielsweise eine Jeans und ein Jackett, „züchtig zugeknöpft“, mit nichts drunter außer einem BH. Na, ob das hier gutgehen kann?

Doch „Prince Charming“ ist ein Gentleman von vollendeter Form. Die Auswirkungen des schmalen Portemonnaies auf die Kleidung weiß er realistisch einzuschätzen. Kritik an den Modemachern von heute zieme sich außerdem in seinem Alter nicht. Geduldig und lächelnd stellt er sich den Journalistenfragen im Hotel „Kopenhagen“. Was ihm Berlin bedeute, fragen sie, das Lokalkolorit für ihre Leser im Kopf. Allenthalben muß er für die Fotografen lächeln, Bücher signieren und mit einem „echten Oestergaard“ versehen.

Vielerlei „Lob und Hudel“ gab es, bemerkte eine der Autorinnen des Buches, Regine Walter-Lehmann, bevor sie Auszüge aus der Neuveröffentlichung vortrug. Küßchen und Shakehands ebenso zuhauf. Brigitte Mira, die Süße, war ins „Kopenhagen“ gekommen. Auch die erste „Miß Germany“, Susanne Erichsen, war strahlend, blitzend und schön. Zum 80. Geburtstag des Couturiers hatte sich auf Initiative der Journalistin Margrit Vogel ein Freundeskreis zusammengetan und zum Teil sehr persönliche Erinnerungen niedergeschrieben. Eine freundliche Hommage ist daraus geworden, von mal mehr, mal weniger interessantem Stoff sowie von sehr unterschiedlichem Stil. Das weiß auch die Herausgeberin und Oestergaard-Freundin Margrit Vogel. Ein Buch, ganz wie es dem Genre der Oral history entspricht. Zeitgeschichte also, vermittelt aus der Sicht von prominenten Kundinnen wie Vera Tschechowa, Cornelia Froboess und Brigitte Mira. Daneben eine Widmung vom Oestergaard-Model und „Fräuleinwunder“ Susanne Erichsen, Erinnerungen vom Modegrafiker Gerd Hertung und vom Modefotografen F. C. Gundlach, von Näherinnen, Schülerinnen und Journalistinnen (Lea Rosh) und und und.

Haute Couture und „Take it easy“-Schuh

1946 eröffnete der 30jährige Oestergaard seinen ersten Salon. Innerhalb kürzester Zeit brachte er Glanz in die Stadt und trug Berlins Ruf einer Modemetropole in die Welt. Feminin und elegant war die Linie, mit einer Vorliebe für griechisch anmutende Drapierungen und lose Stoffbahnen. Bei aller Bewunderung für sein modisches Gespür: Oft scheint das Vorbild Paris hindurch, zurechtgestutzt auf die etwas biederen Bedürfnisse des deutschen Publikums. So trug der sogenannte „Berliner Pfiff“ von 1964 Schleifchen und Pelzbesatz aus Synthetik; die einzelnen Modelle hießen schon mal „Papa, geh mit uns konditorn“.

Dennoch: In seinen großen Jahren schneiderte Oestergaard für Zarah Leander, die Knef und Romy. Zwei Kollektionen à 250 Modelle wurden jährlich entworfen, daneben seine Haute-Couture-Schauen und Modelle für Privatkundinnen. Champagner und Kaviar sowie die Villen auf Sylt und in Italien gehörten zur Welt des Modezauberers. 1960 erhielt „Oesti“, der Liebling der betuchten Society, den Mode-Oscar.

Damals hatte er sich bereits aus dem Elfenbeinturm der Haute Couture gewagt und Kontakt zur Industrie aufgenommen. So entwarf er Richtungskollektionen für die Firma Bayer, um deren Kunstfaserstoffen Cupresa und Cuprama zu besserem Absatz zu verhelfen — mit Erfolg. Er hatte den „Take it easy“-Schuh sowie den Oestergaard-Strumpf kreiert und last, but not least, sehr ertragreich den Miederwaren der Firma Triumph zu neuem Ansehen verholfen. Und er war der erste Modeschöpfer, der für ein Versandhaus arbeitete. 1967, kurz nach seinem Umzug nach München und einer schweren finanziellen Krise, begann er als Modeberater für „Quelle“. Ein Skandal in den elitären Modekreisen. Doch die Zeit der Luxusgüter war am Ausklingen und Oestergaard Realist.

Dahinter steht jedoch auch der Geist des Bauhauses, hatte Heinz Oestergaard doch bei dem Bauhausschüler und anerkannten Plakatgestalter Otto Arpke (er entwarf das Palakat zu „Das Kabinett des Dr. Caligari“) Zeichenunterricht genommen.

Erschwingliche Mode für Millionen entwarf er fortan. Vom Diktat der Mode gelangte er zur „Demokratie in der Mode“. Schließlich schaffte er gar den Sprung in die Welt der Arbeiter, entwarf die orange Berufsbekleidung für die ADAC-Männer und designte schließlich die bundesdeutschen Polizeiuniformen (daß sie so scheußlich sind, ist nur dem Eingriff der Politiker zuzuschreiben). Als Tabubrecher und Avantgardist wurde Heinz Oestergaard deswegen oft stilisiert – wer genau hinschaut, entdeckte jedoch das Genie des Mannes, der es verstand, das Notwendige und den Zeitgeist geschmackvoll und massenkompatibel umzusetzen. Und das ist doch bewunderswert genug.

„Stoff zum Träumen. Wie Heinz Oestergaard Mode machte“. Hrsg.: Margrit Vogel, Edition Q, 38 DM

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