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WBH statt OLV

■ Das Willy-Brandt-Haus im Internet

Seit Jahren schon leidet die SPD unter dem Vorurteil, leicht verstaubt zu sein und den Anschluß an die Moderne verdämmert zu haben. Dabei hat sie sich doch nun von der angegammelten Bonner Baracke verabschiedet und in Berlin ein schickes neues Häuschen hingestellt.

Als wenn das nicht reichte, ihren unbeugsamen Willen zur Modernität zu demonstrieren, tummelt sich die Partei nun auch da, wo alle jungen und hippen Menschen Tag und Nacht rumlungern: im Internet. Unter http:// www.spd.de/wbh können Interessierte einen Blick auf die virtuelle Partei werfen. Wie weit die Sozialdemokraten inzwischen von ihrer blassen Vergangenheit abgerückt sind, zeigt schon die verschämte URL-Wahl: „wbh“ steht für den Namen der neuen Parteizentrale. „Willy-Brandt-Haus“ ist natürlich zu lang bei unseren kurzlebigen Zeiten, und Oskar Lafontaine sitzt der Partei noch nicht lange genug vor, sonst hieße der Link womöglich „olv“ und die Hütte „Oskar- Lafontaine-Villa“.

Statt langweiliger politischer Aussagen, die wahrscheinlich morgen wieder überholt wären, setzen sozialdemokratische Web-Designer auf Subtilität. Das gesamte Bild des Gebäudes ist zartgrün gesprenkelt, in der zweiten und dritten Etage kommen dazu rote, rosafarbige und lila Pünktchen. In normaler Auflösung verschwimmen die Pixel, und die politische Aussage wird klar: In diesem Haus wollen wir gerne rot-grüne Koalitionsgespräche führen, die PDS könnte ebenfalls teilnehmen. Frauen dürfen mitmachen, aber nicht zu viele.

Auch der sparsame Textteil transportiert seine Botschaft direkt ins Unterbewußtsein: „Herzlich willkommen in der neuen SPD-Parteizentrale.“ Deutlicher können die deutschen Sozialdemokraten nicht zum Ausdruck bringen, wie wichtig die Rechtschreibreform für sie ist.

Nach der durchgestylten Homepage ist dann erst mal Schluß mit dem forschen Fortschrittswillen. Wer „ökologische Ansprüche“ in der Abteilung „ökologische Ansprüche“ anklickt, wird mit einer Bleiwüste konfrontiert, die selbst hartgesottenen Ökofans Verdauungsbeschwerden bereitet. „Die Beheizung der Räume erfolgt durch Abstufung der Vorlauftemperaturen über Fußbodenheizung und Plattenheizkörper.“ Echt fetzig. Hoffentlich weiß wenigsten der Klempner, wer wen wann wo absenken muß und gegebenenfalls was heizt.

Der vielversprechende Multikultiverweis auf Englisch, Französisch, Spanisch, Arabisch und Japanisch entpuppt sich als Link ins Leere. Statt einer fremdsprachigen gibt es wieder die deutsche Homepage. Wenigstens die Message an die türkischsprachigen Berliner ist deutlich: Für euch hat die SPD sowieso nichts im Angebot.

Besser sieht es da für traditionelle Linke aus: Zumindest die Seite „Basisinfo/Bürohaus“ bedient ihre Begeisterung für den dialektischen Materialismus. „Die Dialektik zwischen geschlossener, weiß-beiger Natursteinverkleidung und großflächiger, unverspiegelter Verglasung betont die Transparenz des Bürohauses.“ Schade, daß Kalle M. das nicht mehr erleben durfte. Die Dialektik von Naturstein und Verglasung hätte der Arbeiterklasse ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Wie immer, kam der SPD auch diese Erkenntnis ein wenig zu spät. Christian Kirsch

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