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Goldene Zeiten für Mönche und Berufsmörder

■ Am Sonntag wird in Thailand gewählt: Die meisten Parteien haben kein Programm, und politische Differenzen zwischen ihnen gibt es kaum. Für die Kandidaten zählt das Geschäft

Bangkok (taz) – Fünfzigtausend Amulette hat der verehrte alte Mönch Luang Phor Khoon Parisutho in den letzten Wochen gesegnet und – jedes Stück für rund eine Mark – an thailändische Politiker verkauft. Die gaben sie an ihre Anhänger weiter: Goldene Zeiten für Thailands Mönche. Goldene Zeiten auch für Buchmacher und Auftragsmörder. Ihre Dienste sind vor den Parlamentswahlen am Sonntag besonders gefragt.

Seitdem Premierminister Banharn Silapa-archa im September vorfristig Neuwahlen angekündigt hat, tobt der Kampf um die 393 Sitze im Abgeordnetenhaus von Bangkok. Es ist ein Kampf mit allen Mitteln: Fünf Wahlhelfer verschiedener Parteien wurden bislang erschossen – obwohl die Behörden nach eigenen Angaben vorsichtshalber zahlreiche „Lohnkiller“ festgenommen oder verwarnt hatten. Thailändische Zeitungen sprechen von den „schmutzigsten Wahlen seit 20 Jahren“. Nie zuvor ist soviel Geld geflossen. Um den WählerInnen die Stimme abzukaufen, hätten die 13 Parteien bislang mindestens 20 Milliarden Baht (1,25 Milliarden Mark) ausgegeben, sagen Wahlbeobachter. Besonders auf dem Land ist Stimmenkauf – trotz Verbot – weit verbreitet. Die Polizei hat jetzt allerdings die Wähler gewarnt: Es sei massenhaft Falschgeld aufgetaucht, das offenbar von Wahlhelfern verteilt werden sollte.

Eine im Land der Glücksspielsucht geradezu geniale Methode der Manipulation sind die – natürlich illegalen – „Wahl-Wetten“: Die Buchmacher versprechen hohen und sicheren Gewinn, wenn ihr Favorit einen Parlamentssitz erringt. Wer auf einen Kandidaten setzt, wird ihn auch wählen, selbst wenn er ihn nicht mag. Nach Schätzungen der Polizei sind bislang umgerechnet insgesamt 60 Millionen Mark verwettet worden.

Längst hat sich in der thailändischen Öffentlichkeit die Erleichterung über das Ende der Regierung Banharn in Entsetzen verwandelt. Banharn galt als korrupt und unfähig. Seiner Koalition wurden enge Verbindungen zu lokalen Mafiosi nachgesagt. Schließlich mußte er nach zweijähriger Amtszeit aufgeben, weil ihm seine Koalitionspartner davonliefen. Doch jetzt fürchten viele, vom Regen in die Traufe zu kommen.

Da sich die thailändischen Parteien politisch kaum unterscheiden – viele haben nicht einmal ein Programm – sind die meisten reine Zweckbündnisse, die den Kandidaten an die Macht verhelfen sollen. So hat ein Drittel der Abgeordneten aus dem letzten Parlament inzwischen die Partei gewechselt.

Die beiden aussichtsreichsten Parteien und ihre Führer werden laut Umfragen Kopf an Kopf durchs Ziel gehen: Ex-General Chavalith Yongchaiyudh von der „Neuen Hoffnung“ ist bei den Bauern populär. Er war im Wahlkampf besonders großzügig. Er ist aber auch bekannt dafür, daß er seit langem private Geschäfte mit Birmas Junta und Kambodschas Roten Khmer macht. Sein Gegenspieler von der „Demokratischen Partei“, Chuan Leekpai, ist in Bangkok unschlagbar. Er gilt als persönlich unbestechlich und war bereits zwischen 1992 und 1995 Premierminister. Allerdings mußte er wegen illegaler Landspekulationen seiner Minister zurücktreten. Chuan ist in der aufstrebenden städtischen Mittelschicht und bei vielen Unternehmern beliebt, weil er klarere Vorstellungen als andere Kandidaten über nötige Wirtschaftsreformen hat.

Der Wahlkampf ist hart, weil viel auf dem Spiel steht. Die thailändische Politik ist stark in Bangkok zentralisiert. Alle Entscheidungen über die Verteilung von Steuergeldern, über Investitionen und Bauprojekte fallen in der Hauptstadt. Wer in der Regierung oder wenigstens im Parlament sitzt, kann den Geldhahn auf- oder zudrehen. Deshalb ist es teuer, in Thailand PolitikerIn zu werden. Und deshalb müssen die veschuldeten Kandidaten nach ihrer Wahl alles dransetzten, „Gönnern“ und Heimatbetrieben staatliche Aufträge zuzuschanzen.

Premierminister Banharn jedenfalls nutzt noch schnell die Gunst der Stunden: Nur noch drei Werktage im Amt, ließ er am Dienstag sein eilig zusammengerufenes Übergangskabinett noch ein Rekordbudget von rund elf Milliarden Mark für 2.661 Projekte genehmigen. Die muß dann die neue Regierung finanzieren. Banharn ordnete an, daß die Details der Projekte nicht veröffentlicht werden dürfen, bevor er seinen Stuhl geräumt hat. Jutta Lietsch

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