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Süßes Gewerbe reagiert sauer

■ Im Nestlé-Werk in Wandsbek begann gestern die erste Urabstimmung über einen Streik für die Lohnfortzahlung

Am Ende der Nachtschicht bei Nestlé ist Silvia Akay gegen den Novemberfrost bestens gewappnet – die Maschinenführerin kocht vor Wut. „Seit Monaten müssen wir fürs Weihnachtsgeschäft sechs Tage die Woche rackern“, macht sie ihrem Ärger Luft, „wer davon krank wird, soll jetzt auch noch weniger Lohn kriegen!“ Auch ihre Kollegin Habibe Lohmann ist empört: „23 Jahre arbeite ich schon hier, bin sogar freiwillig mit Gipsbein zur Arbeit gekommen – das ist jetzt der Dank.“

Die 1000 ArbeitnehmerInnen, die im Wandsbeker Nestlé-Werk Kitkat, Smarties und After Eight produzieren, sind stocksauer: Der Lebensmittel-Multi will sie im Krankheitsfall mit 80prozentiger Lohnfortzahlung abspeisen. Das wollen sich die ArbeitnehmerInnen nicht gefallen lassen. Per Urabstimmung entscheidet die Nestlé-Belegschaft jetzt, ob gestreikt werden soll.

Als erste ArbeitnehmerInnen-Organisation setzt ihre Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG) auf Streik, um die 100prozentige Lohnfortzahlung zurückzubringen. Bis zum kommenden Mittwoch sind die rund 27.000 gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten der westdeutschen Süßwarenindustrie aufgefordert, sich per Urabstimmung für oder gegen einen Arbeitskampf auszusprechen.

In Norddeutschland bildete die Abstimmung im Wandsbeker Nestlé-Werk den Auftakt. Die Produktionsstätte ist die zweitgrößte Niederlassung des Konzerns in Europa. Am Montag werden die ArbeitnehmerInnen des Norderstedter Kakao-Herstellers Van Houten an die Urnen gebeten.

Hintergrund der Aktion: Anfang dieser Woche waren die Tarifverhandlungen zwischen NGG und dem Bundesverband der Süßwarenindustrie gescheitert. Der Arbeitgeberverband hatte seinen Mitgliedern empfohlen, kranken Beschäftigten ab 1. Oktober nur noch 80 Prozent ihres Lohns zu bezahlen. Auch wenn das Resultat der Urabstimmung erst Mitte kommender Woche feststehen wird, gibt sich die Belegschaft des Wandsbeker Nestlé-Werks siegessicher. „Die Abstimmung wird deutlich für einen Streik ausfallen“, schätzt Betriebsrats-Chef Klaus Hoffmann. Nach den ständigen Weihnachts-Sonderschichten hätten viele MitarbeiterInnen die Nase voll, die Stimmung sei auf dem Siedepunkt.

„Die Leute haben begriffen, daß Krankheit ein unkalkulierbares Element in ihrem Leben ist“, sagt NGG-Sekretär Walter Scheuer. Bereits vor drei Wochen hatten die Wandsbeker Nestlé-MitarbeiterInnen aus Protest gegen die gekürzte Lohnfortzahlung die beiden Sonderschichten am Sonnabend ausfallen lassen. Doris Heimann

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