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■ Schmutzkampagne gegen Belgiens Vizepremier Di RupoSchuldig bei Verdacht

Elio Di Rupo ist vom Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs von Kindern entlastet worden. So berichten es die Agenturen. Der Satz stimmt – und er ist doch falsch. Denn der parlamentarische Untersuchungsausschuß hat sich – und nicht einmal einstimmig – nur zu einem Freispruch aus Mangel an Beweisen entschlossen. Damit ist die Unschuld des offen schwulen Politikers eine Glaubensfrage. Der Verdacht bleibt, die Beweislast liegt beim Beschuldigten.

Eine traurige Geschichte. Noch im Oktober tat sich in Belgien Wundersames, Tausende gingen auf die Straße, um gegen ein verkorkstes Justizsystem zu demonstrieren, das dem Ermittler Jean-Marc Connerotte den Fall des Kindermörders Marc Dutroux entzogen hatte. Emotional durch die Morde an den mißbrauchten Kindern angeheizt, wehrten sich die Belgier gegen eine Parteibuchjustiz, die offenkundig die Machenschaften einiger Politiker deckte, die seit Jahren schon den Machtfilz der wallonischen Sozialisten behütete, eine Justiz, die selbst Mordfälle vertuschte. Diese Belgier, die da die Justizbehörden mit Gemüse bewarfen, waren sympathisch in Gestus und Zielrichtung. Die Vorwürfe gegen Elio Di Rupo und der medienöffentliche Umgang damit sind die dreckige Kehrseite der gleichen Medaille – der armselige Abgesang auf den emanzipatorischen Gehalt jener Bürgerproteste. Was als Angriff auf Macht und Filz begann, endete als Rufmordkampagne gegen einen schwulen Politiker, tatkräftig mitgeschürt von seinen politischen Gegnern. Die politische Klasse hat versucht, das offensive Mißtrauen der Bürger in Hetze und Hexenjagd zu verwandeln, den Angriff der Zivilgesellschaft auf die Macht zum Nachtreten gegen den zu machen, der sich am wenigsten wehren kann. Es waren nicht Beweise, die Di Rupo belasteten. Angreifbar machte ihn, daß er schwul ist.

Die belgischen Medien, die ab Mitte November jede noch so haltlose Anschuldigung gegen Politiker im Zusammenhang mit der Dutroux-Affäre begierig aufgriffen, haben den Selbstreinigungsprozeß der belgischen Politik, der damals möglich schien, gründlich verdorben. Wo solche Vorwürfe zum Spielball der Politik werden, kann von neuer moralischer Qualität nicht mehr die Rede sein. Bernd Pickert

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