: „Wir wollen Kroatien demokratisieren“
■ Der Chef der Sozialliberalen Partei Kroatiens, Vlado Gotovać, über die Wahlen
taz: Rechnen Sie angesichts der Kommunalwahlen mit einem Machtwechsel, sitze ich gar dem künftigen Präsidenten Kroatiens gegenüber?
Vlado Gotovać: Das müssen die Wähler entscheiden. Ich werde aber bei den Präsidentschaftswahlen, die jetzt für den September angesetzt sind, gegen Präsident Tudjman antreten. Die jetzigen Kommunalwahlen sind wichtig für die kroatische Demokratie. Wir wollen eine Dezentralisierung des Staates, denn die Regierungspartei hat den Einfluß der Regionen eingeschränkt. Wir wollen damit auch regionale Wirtschaftspolitik betreiben und den Kommunen eine größere Verantwortung geben. Psychologisch ist die Wahl wichtig, weil sie zeigen kann, daß ein Machtwechsel in Kroatien möglich ist. Da zudem die zweite Kammer des Parlamentes gewählt wird, würde bei einem Durchbruch der Opposition ihr Einfluß auf den Gesetzgebungsprozeß steigen.
In welchen Punkten unterscheidet sich Ihre Politik von der der Regierungspartei grundsätzlich?
Die Regierungspartei HDZ ist keine richtige Partei, sie ist eine Bewegung, die das ganze gesellschaftliche Leben in Kroatien bestimmen will. Es gibt keine staatlichen oder gesellschaftliche Institution, in der sie nicht nach Macht strebt. Wir wollen eine Trennung der Gewalten und eine unabhängige Wirtschaftspolitik. Wir wollen keine Partei mehr, die von den Banken bis zu den Kindergärten alles beherrscht. Selbst in Armee und Polizei müssen alle Führungskader HDZ-Mitglieder sein.
Bisher hat das Ausland, so die USA und die EU, auf Präsident Tudjman gesetzt. Welche Akzente setzen Sie in der Außenpolitik?
Wir legen Wert auf eine besondere Beziehung zu Mitteleuropa. Weiterhin sehen wir das Engagement Kroatiens in Bosnien-Herzegowina als ein Abenteuer an, das so schnell wie möglich beendet werden muß. Wir akzeptieren den bosnisch-herzegowinischen Staat und damit auch seine Institutionen. Im Parlament habe ich in der Vergangenheit gegen die Politik der Regierung bezüglich Bosnien- Herzegowinas protestiert. Ich sehe es als schweren Fehler an, das Bündnis mit den bosnischen Muslimen 1993 aufgegeben zu haben. Falls ich Präsident werde, würde ich nicht wie Tudjman ohne Einladung der bosnischen Regierung nach Mostar fahren.
Erwarten Sie freie Wahlen?
Schon jetzt sind die Wahlen manipuliert, weil es keine gleichen Chancen für die Oppositionsparteien gibt, in den Medien aufzutreten. Auch die Finanzierung der Regierungspartei läßt einige Fragen offen. Falls die Wahlen offen manipuliert werden, werden wir die Konsequenzen ziehen. Dazu gibt es verschiedene Szenarien.
Könnte es dann zu einer Bewegung wie in Belgrad kommen?
Dies kann ich nicht beantworten, wir sind auf alles vorbereitet. Interview: Erich Rathfelder
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