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Das PortraitUngeliebter Hau-weg-Manager

■ Jürgen Dormann

Er scheint der aktuelle Protagonist zu sein in Degenhardts altem Lied vom „Aufstieg und Fall einer westdeutschen Führungskraft“: Jürgen Dormann, Boß der Hoechst Holding AG. Der Exmanager des Jahres 1996, bei seinem Amtsantritt 1994 gefeierter „Youngster“ auf dem Sessel des Vorstandsvorsitzenden des Chemiegiganten, steht heute mit dem Rücken zur Wand.

Dormanns Pharma-Tochter Hoechst Marion Roussel (HMR), auf dem seine Vision von Hoechst als Life- Sience-Unternehmen bislang fußte, ist inzwischen nur noch die Nummer acht auf dem globalen Pharmamarkt. Analysten werfen dem naßforschen, inzwischen 58 Jahre alten Volkswirt vor, sich mehr mit der Umstrukturierung des Konzerns vom Chemiegiganten zum schlanken Pharma- und Biotechnologieunternehmen beschäftigt zu haben als mit der Konsolidierung des Konzerns.

„Hau-weg-Dormann“ heißt der sportive Asket inzwischen bei den Belegschaften der von Zerschlagung oder Verkauf bedrohten Hoechst-Töchter mit traditioneller Chemie. Schlechte Zeiten für Dormann und den HMR-Boß Markham aus Kansas City. Die absurde Idee, die nur noch vor sich hin dümpelnde Umsatzrendite von HMR ausgerechnet über Stellenstreichungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung aktionärsfreundlich in die Höhe zu treiben, hat selbst das Management elektrisiert. „Mißmanagement und gravierende Fehlentscheidungen“ werfen ihm rund 100 leitende Angestellte vor. Gemeinsamer Aufstand der Proleten und der Manager gegen Dormann: ein Novum in der Geschichte der deutschen Chemieindustrie.

Das Ruder bei HMR herumgeworfen hat deren Boß Markham. Kein Arbeitsplatzabbau in Forschung und Entwicklung. Denn nur mit neuen Produkten könne HMR mittelfristig die Krise meistern. Eine Ohrfeige für Dormann.

Wie aber weiter mit dem Frei- und Rettungsschwimmer, der 1965 als Verkäufer im Bereich Fasern ein „Farbwerker“ wurde? Das hängt von den Aktionären ab. Noch sei die mit der Umstrukturierung verbundene Durststrecke nicht zu Ende, sagte Dormann gestern auf der Bilanzpressekonferenz der Holding. Da haben einige ihre Aktien rasch verkauft; der Kurs fiel um vier Prozent. Jetzt fragen viele: Wann fällt Dormann? Klaus-Peter Klingelschmitt

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