Politische Werbekampagne

■ betr.: „Studiengebühren? Ja, aber...“, taz vom 5.3. 98

Früher oder später erwischt es halt jeden! Nun ist offenbar auch Christian Füller durch neoliberale Dauerbestrahlung weichgekocht worden. Wir finden folgendes Szenario vor: Es zeichnet sich ab, daß das Hochschulrahmengesetz (HRG) im Bundesrat an der Studiengebührenfrage scheitert, weil die SPD ihre ursprüngliche Zustimmung aufgrund öffentlichen Drucks (nicht zuletzt der Studierendenproteste) zurückgezogen hat. Wenige Tage vor der entscheidenden Abstimmung plazieren der Stifterverband der deutschen Industrie und das Bertelsmann-Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) eine „Meinungsumfrage“ in die Medienwelt, deren vorhersehbares Ergebnis darin besteht, daß die Mehrheit der Bevölkerung nichts mehr ersehnt als die Einführung von Studiengebühren. Wer eins und eins addieren kann, weiß, was von der Komposition zu halten ist.

Wenn darüber hinaus der entscheidende Passus dieser demoskopischen Inszenierung aus einer überkomplexen Suggestivfrage (Ich bin zwar für Studiengebühren, aber nur, wenn... wenn... und wenn...) besteht, die direkt auf das vom Auftraggeber gewünschte Antwortergebnis zielt, so daß sich mit einer anders formulierten Fragestellung auch der entgegengesetzte demoskopisch-ideologische Effekt hätte erzeugen lassen können, kurz: Wenn all dies sich so wundersam zusammenfügt, könnte jeder halbwegs kritische Journalist von allein merken, was hier abläuft: keine wissenschaftlich seriöse Meinungsforschung, sondern eine politische Werbekampagne!

[...] Was Füller am vorliegenden „Forschungsergebnis“ für intellektuell erregend und offenbar neu hält, ist kalter Kaffee und asbachuralt: Studiengebühren als Darlehen und zur Verfügung der Hochschulen. Das ist das Konzept, welches die einschlägigen neoliberalen Think-Tanks und Stiftungen seit je vertreten und welches diese nun – nicht zuletzt mit Hilfe von Christian Füller – als wahre Meinung des Volkes darstellen können. An der grundlegenden Problematik von Studiengebühren (nämlich der einer Privatisierung von Bildung und der Verstärkung sozialer Selektion von Bildungschancen) ändert sich durch derartige Bedingungen nicht das geringste! Torsten Bultmann, Bund

demokratischer Wissenschaftler

und Wissenschaftlerinnen, Bonn