Kommentar: Vermeidbare Katastrophe
■ Eine Kette des Versagens ist schuld an der Ölpest in der Nordsee
Unglücken, auch einem Brand auf hoher See, kann man vorbeugen, gänzlich vermeidbar sind sie nicht. Daß nun allerdings drei Wochen nach der Havarie des relativ kleinen Frachters „Pallas“ immer noch Öl in die Nordsee läuft und an die nordfriesischen Strände getrieben wird, wäre sehr wohl zu verhindern gewesen. Die Ölpest ist nicht einer Addition unglücklicher Umstände, sondern einer Kette von Versagen und Pannen geschuldet, für die es Verantwortliche gibt.
Eine Woche war die „Pallas“ zunächst auf der Nordsee unterwegs, bevor sie vor genau 14 Tagen zehn Kilometer südwestlich von Amrum auf Grund lief. Der chinesische Kapitän hatte weder die Maschinen gestoppt noch den Anker geworfen, als er als letzter von Bord ging. Als ein Schlepper den maroden Kahn endlich an der Trosse hatte, erlaubte der nahe gelegene Hafen von Esbjerg das Einlaufen nicht. Dem schlechten Zustand des Schiffes ist es geschuldet, daß dann auf dem Weg nach Cuxhaven bei Sturm die verrosteten Poller nicht hielten und die „Pallas“ sich losriß.
Die für Schiffskatastrophen eigentlich zuständige Einsatzleitgruppe des Bundes und der Küstenländer zur Bekämpfung der Meeresverschmutzung ist erst zusammengetreten, als das Schiff schon mit einem Leck vor Amrum lag. Die Einsatzleitgruppe übernahm allerdings keinesfalls gleich die Regie, obwohl sie bei Gefahren für die Küsten alle Rechte hat. Verantwortlich für die Bergung blieb weiter der Reeder. Erst bei dessen Versuchen, das Schiff um 90 Grad auf dem Sand drehen zu lassen, wurde dann den 600 Tonnen Schweröl im Tank der „Pallas“ der Weg in die Nordsee gebahnt. Nach dem Stranden der „Pallas“ waren zunächst nur Ölreste aus dem Schiffsrumpf und Hydrauliköle ins Meer gelangt, inzwischen hat auch der Tank einen 50 Zentimeter langen Riß.
Erst als der Reeder die „Pallas“ zum herrenlosen Wrack erklärte, wurden die schon vor 14 Tagen notwendigen, aber teuren Schritte eingeleitet: Löschen des Schwelbrandes und Leerpumpen der Tanks.
Letztlich zuständig für das blamable Geschehen in der Deutschen Bucht ist übrigens der Bundesverkehrsminister. Als der Brand auf der „Pallas“ ausbrach, war Franz Müntefering noch nicht im Amt. Um die Konsequenzen, ein neues Sicherheitskonzept für die Deutsche Bucht mit klaren Zuständigkeiten, kann er sich allerdings nicht mehr drücken. Jürgen Voges
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