: Je später der Abend, desto teurer das Personal
Die Suche nach Aushilfskräften für Silvester 2000 läuft auf Hochtouren: Während viele schon Arbeitsverträge für 60 Mark die Stunde in der Tasche haben, hoffen andere, bei späterer Vertragsunterzeichnung noch mehr rauszuholen ■ Von Barbara Bollwahn de Paez Casanova
Je später der Abend, desto teurer das Personal. Übertragen auf die Silvesternacht 2000 heißt das: Je später ein Arbeitsvertrag für die letzte Nacht dieses Jahrhunderts unterschrieben wird, umso grösser ist möglicherweise die Auszahlung am ersten Tag im neuen Jahrtausend.
„Einzelne helle Köpfe werden warten“, schätzt Yasar Karaca, Vorstandmitglied der Tusma. Obwohl die studentische Arbeitsvermittlung der Technischen Universität schon seit August Aufträge für die Silvesternacht bekommt, geht Karaca davon aus, dass „noch mehr reinkommt“. Deshalb wird es erstmals in der Geschichte der Tusma am 31. Dezember einen Notdienst bis 21 Uhr geben. Studenten, die auf den großen Reibach in der letzter Minute hoffen, rät Karaca, entweder im Kellner- oder Security-Outfit zu erscheinen, um gegebenenfalls sofort zum Einsatzort geschickt werden zu können. Karaca rechnet mit 100 bis 150 Studenten, die möglichst hoch pokern wollen. Die eventuelle Wartezeit soll ihnen mit Kaffee und Kuchen versüßt werden.
Doch auch Studenten, die jetzt schon ihren Arbeitsvertrag in der Tasche haben, verdienen leicht das Vierfache eines normalen Jobs. So bekommen die 175 Studenten, die für die Deutsche Post am Brandenburger Tor Sonderbriefmarken verkaufen und Stempel mit dem historischen Datum „31. 12. 1999“ und „1. 1. 2000“ verteilen, 60 Mark pro Stunde. Die Heinzelmännchen von der studentischen Arbeitsvermittlung der FU vermitteln Jobs mit Stundenlöhnen zwischen 40 bis 70 Mark.
Um sicherzugehen, dass nicht der eine oder andere im letzten Moment zugunsten einer Privatparty den zugesagten Job sausen lässt, sichern sich einige Auftraggeber per Vertrag ab. So ist bei Nichterscheinen nicht wie sonst eine Stornogebühr von 18 Mark fällig, sondern Strafen von bis zu 300 Mark Strafe, weiß Karaca von der Tusma.
Händeringend sucht das Berliner Hotel- und Gaststättengewerbe noch Personal. Vor wenigen Tagen meldete das Arbeitsamt erneut einen „dringenden Bedarf an Aushilfskräften im Küchen- und Servicebereich“ für die Silvesternacht. Auch die Firma „Wohltat Entertainment“, die das Personal für die Millennium-Gala am Reichstag organisiert, sucht nach Angaben eines Mitarbeiters „noch Leute ohne Ende“. Der Grund: Die Bezahlung unterscheidet sich kaum von einem x-beliebigen Abend. Viele Interessenten dagegen haben „astronomische Vorstellungen von 100 bis 200 Mark“ die Stunde. Der bisherige „Härtefall“ war ein Mann, der für einen abend Bühnenaufbau 2.000 Mark verlangte. Doch die Firma hofft, „bei vier Millionen Arbeitslosen noch welche zu finden, die für normales Geld arbeiten wollen“.
Während Aushilfskräfte in der Nacht der Nächte durchschnittlich bis zu 40 Prozent mehr verdienen, gucken viele Festangestellte in die Röhre. Bei der Telekom beispielsweise ist es nach Angaben der Pressestelle in Bonn den Personalverantwortlichen freigestellt, die Angestellten mit einem „Dankeschön in Form von Warenleistungen“ wie beispielsweise Theaterkarten bei Laune zu halten.
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten (NGG) will dieser Zweiklassengesellschaft einen Riegel vorschieben „Weil die Marktpreise für Aushilfen enorm in die Höhe geschnellt sind“, sagt Sebastian Riesner von der NGG, sollen alle Arbeitneher und Auszubildenden, die am 31. Dezember zwischen 18 Uhr und dem 1. Januar 2000 6 Uhr arbeiten, eine „Sondergratifikation“ von 50 Mark brutto pro Stunde zusätzlich zu ihrem normalen Entgelt erhalten. Riesner weiß von Agenturen für Fachpersonal, bis „bis zu 400 Prozent mehr verlangen“. Bei einem Treffen mit dem Hotel- und Gaststättenverband am 1. Dezember soll über diese Forderung verhandelt werden.
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