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Kalkulierte Strenge

■  Edle Fundgrube: Im neu eröffneten Einrichtungshaus „stilwerk“ sind 48 Design- und Möbelgeschäfte unter einem Dach versammelt

Das Werbeplakat zeigt einen weich ausgeleuchteten Männerarsch. „So schön wohnt ein Furz“, steht dabei, und die Frage: „Wie wohnen Sie?“ Dass diese Reklame des „stilwerk“ die Konkurrenz vom Markt bläst, darf bezweifelt werden. Andererseits ist die Edelpassage mit 48 ausgesuchten Designerläden praktisch auf Geld gebaut – das könnte dann doch ein gutes Omen sein.

Der fünfstöckige Bau der Architekten Novotny, Mähner und der Mailänder Studio & Partners steht über dem Kundenschließfachtresor der Dresdner Bank, die hier früher ihre Hauptverwaltung hatte. Der Tresor ist mit 5.000 Schließfächern der größte in Europa und nach wie vor in Betrieb. Während die Wertgegenstände im Keller fest weggeschlossen werden, sind die in den Etagen darüber durchaus zum Mitnehmen gedacht. Selbstverständlich gegen entsprechende Bezahlung.

An der Kant- Ecke Uhlandstraße ist seit letzter Woche auf 20.000 Quadratmetern von der Espressomaschine über Porzellan, Teppiche und Pflanzen bis hin zur kompletten Küche eigentlich alles zu haben, sogar ein Klavier, das sich – wie im Western – selbst spielt. Die Geschäftsführung des stilwerk hat darauf geachtet, dass nur Mieter „mit klarem Profil, ausreichend Erfahrung und gutem Renommee“ einziehen. Dazu gehören neben traditionellem Einzelhandel wie das Lichthaus Mösch oder Trollhus die Franchise-Läden von Alessi, Bang & Olufsen oder der Conran-Shop, der schon im ersten stilwerk-Projekt in Hamburg zum Vorzeigeobjekt wurde. Außerdem kommen mit Tobias Grau (Hamburg), ligne roset (Frankreich), Bo Concept (Dänemark) oder Kartell (Italien) eine Reihe von Herstellern zum ersten Mal nach Berlin.

Obwohl jeweils mehrere Geschäfte Schlafzimmermöbel, Lampen oder Küchen anbieten, haben die Urheber der stilwerk-Idee die Devise „Kooperation statt Konkurrenz“ ausgegeben. Dahinter steckt freilich keine neue Unternehmensphilosophie, sondern eine alte Erkenntnis der Ökonomen: Während sich zu viele Bäckereien oder Apotheken am selben Fleck die Kunden gegenseitig abgraben, soll eine Ansammlung von Einrichtungshäusern noch neue Kunden anziehen, die sich dadurch langes Gerenne von Laden zu Laden sparen können.

Von den üblichen Konsumtempeln hebt sich das stilwerk übrigens schon dadurch ab, dass trotz der Eröffnung pünklich zur Adventszeit nicht das allfällige Weihnachtsglitzergebammel von der Decke hängt. Ein paar schlichte Sterne, alles andere würde die durchkalkulierte Strenge mit Ahornbänken, Glasaufzügen und viel natürlichem Licht stören.

Um den anstrengenden Einkaufsbummel aufzulockern, ist im fünften Stock ein Ausstellungzentrum geplant. Unter dem Titel creative britain“ läuft zwei Stockwerke tiefer bereits eine Ausstellung über britisches Medien- und Kommunikationsdesign – ein Raum, in dem einige Besucher etwas ratlos um die bunten iMacs herumstreichen, die ja immer gut aussehen und hier darauf warten, dass jemand mit ihnen interagiert.

Für Gäste, die die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrmitteln nicht ertragen, ist übrigens selbst das Parkhaus durchgestylt: Die beiden Parkdecks wurden durch die Hand des Konzeptkünstlers Ottmar Hörl zu befahrbaren Galerieräumen. Sie heißen jetzt „Zeit“ und „Stille“. Martin Kaluza

stilwerk, Kantstr. 17 /Ecke Uhlandstraße, 10623 Berlin, Mo – Fr 10 – 20 Uhr, Adventsonnabende 10 – 18 Uhr, sonntags 14 – 18 Uhr (ohne Verkauf)

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