: Fußvolk verzeiht so schnell nicht
Bei der Schneeballschlacht zwischen Bayern München und Borussia Dortmund (1:1) ging es auch um den Titel des unsympathischsten Teams der Liga ■ Aus München Fred Stein
Eins-eins, der Kompromiss war geschlossen zwischen den Bundesliga-Parteien FC Bayern München und Borussia Dortmund, nach heftiger, 90-minütiger Debatte mit kapitalen Beiträgen des Münchner Haudraufs Jens Jeremies (23.) und des Dortmunder Kopfballers Jürgen Kohler (50.). Doch das Unternehmen FC Bayern bot seinen Kunden im Olympiastadion noch einen Sonderservice zur Versöhnung. Zuvor schon hatte der Stadionsprecher verkündet, alle 53.000 freiwillig Erschienenen bei der Schneeballschlacht am Samstagabend dürften ihre Eintrittskarte als Freibillet für die Pfichtübung des Rekordmeisters gegen Arminia Bielefeld am 14. Dezember verwenden.
Und das Ensemble hatte auf geweißtem Boden halbwegs ordentlichen Sport mit allerhand Torchancen geboten. Jetzt, gleich nach Schlusspfiff, erfüllten heimelige Klavierklänge die kalte, schwarze Nacht und Funken von Feuerwerksraketen tanzten durch den leise wirbelnden Schnee. Diesen Reigen guter Taten hatte der FC Bayern aber auch nötig. Beim Duell mit Borussia Dortmund ging es schließlich nicht nur um das sportliche Fortkommen, sondern vor allem darum, den leichten Vorteil im Rennen gegen den zweifelhaften Titel „unsympathischster Verein Deutschlands“ zu verteidigen.
Bayern wie Borussen haben ja seit Jahren das gleiche Imageproblem: Ihre Firmenpolitik, das böse Geld, das sie in rauhen Mengen besitzen, mit vollen Händen für alles auszugeben, was zwei Beine hat und dem Vernehmen nach gehobenes Talent, brachte ihnen den Geruch des überheblichen Bösewichts ein. Das Münchner Unternehmen hatte dabei jüngst – im Gegensatz zu den Dortmundern – das Glück, häufig zu gewinnen und gelegentlich sogar solide Unterhaltung zu liefern.
Doch am vorvergangenen Samstag hat der FC Bayern das Derby gegen den Nachbarn 1860 verloren, 0:1, und wirkte dabei ziemlich freudlos, was für echte Bayern-Fans ein Vergehen der schwereren Art ist. Das Fußvolk in der Südkurve war sauer, pfiff und plakatierte in deutlicher Diktion gegen die schwerreichen Stars. Die aber dachten: Frechheit, und reagierten auf ihre Weise beim 3:0-Sieg am Mittwoch im Pokal gegen Mannheim: mit Fankurven-Boykott. Kapitän Effenberg erklärte, warum: „Die Fans haben nicht das Recht, uns so zu kritisieren.“
Unsympathischer geht's nicht. Da können Dortmunds Spitzenverdiener noch so leidenschaftslos auftreten und ihrer Negativserie von mittlerweile zehn sieglosen Spielen noch zehn trostlose Niederlagen folgen lassen – die Münchner Sünden bleiben einzigartig. Und so musste Bayerns Belegschaft sich schon etwas anderes einfallen lassen als Torschütze Kohler, der vorsichtshalber mal via TV ein paar Dankadressen an die Treuesten versandte. „Die haben uns auch nach dem 0:1 angefeuert“, lobte Kohler, „man muss den Zuschauern ein Lob zollen.“
Freikarten also, Feuerwerk und Engagement auf dem Feld. Aber schon auch ein paar warme Worte. Torsten Fink hatte besten Absichten, als er behauptete: „Es hat nie gekriselt zwischen uns und den Fans.“ Denn die Fans, das seien ja „eingefleischte Jungs“. Nur Manager Uli Hoeneß leistete sich noch einige wortreiche Unsinnigkeiten. Ich finde es nicht okay“, polterte er, „wenn man nach einer Serie von guten Spielen die Spieler als Söldner und Gauner beschimpft.“ Der Fußball-Millionär als geschundene Seele! Hoeneß spielte seinen Anwalt. Kritik vom Fan – zugestanden. Aber, „man muss eine vernünftige Form finden“. Am besten schriftlich: „Sehr geehrte Herren, höflichst bitten wir um die Erlaubnis, untertänigst anmerken zu dürfen, dass Ihre sicher unter schwierigsten Umständen erbrachte Leistung im Derby vom 27. 11. 1999 nur zum Teil unser Gefallen fand. Entschuldigen Sie unsere Kritik. Hochachtunsgvoll.“ Wer sich als Anhänger schwer getroffen sah von dem Hochmut seiner Lieblinge, ließ sich ohnehin nicht mehr becircen. Auf einem Plakat, das die Südkurve schmückte, stand: „Wir verzeihen nicht!“ Ausrufezeichen. Es war ein bitterer Abend für den FC Bayern, trotz aller Bemühungen. Nichts hatte er gewonnen. Außer einem Punkt. Und auch der war zu wenig.
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