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Der sanfte Schläger

Nikolai Valuev mag kein begnadeter Boxer sein, aber als Schwergewichts-Champion bleibt er unüberwindlich

BASEL taz ■ Die letzten Sekunden seiner 47. Schicht als Preisboxer waren schon sonderbar. Nikolai Valuev wollte bereits abdrehen, um seine 2,13 Meter und 146,2 Kilogramm in seiner Ringecke zu bewegen – solche Manöver wollen vorbereitet sein. Im nächsten Moment lag der Mann, gegen den er seinen Schwergewichts-Titel der World Boxing Association (WBA) verteidigen wollte, mit gepeinigter Miene auf dem Ringboden der Basler St.-Jakob-Halle. Es waren drei Runden und neun Minuten Zweikampf absolviert, doch mehr würde es an diesem groß eingeläuteten Abend nicht geben: Der Mann am Boden war nicht länger Athlet, sondern nur noch Patient.

Natürlich wäre es ruhmreicher gewesen, hätte Valuev den 36-jährigen US-Amerikaner Jameel „Big Time“ McCline mit einem furiosen Wirkungstreffer zu Boden gestreckt. Tatsächlich versuchte sein allzeit lautstarker Co-Promoter Don King hinterher alles, die Geschehnisse entsprechend umzudichten. Demnach hatte die mit 9.000 Zuschauern vollbesetzte Arena die Premiere eines neuen Erfolgsschlags erlebt – den „Kniescheiben-Zerschmetter-Punch“, der McCline um seine eigene Achse und aus den Bändern seines Kniegelenks rotieren ließ. Besonnenere Augenzeugen hatten dagegen Profaneres gesehen. Nämlich einen Boxer, der selbst einen Schlag ansetzt und sein Knie mit 121,7 Kilogramm Körpergewicht über Gebühr belastet. Das führte zu einem Anriss der Patellasehne, bei dem die Kniescheibe heraussprang. Das offizielle Resultat lautete technischer K. o.

Schon vorher waren die wenigen Treffer, die der 1,98 m große McCline über die gegnerischen Krakenarme hin anbringen konnte, verpufft, als hätte da ein Mädchen mit Watte geworfen. Valuev lächelte und trieb seinen Widersacher ungerührt mit der linken Führhand vor sich her. Viel mehr als diese steife Linke mag Valuev auch im 13. Jahr seiner Profikarriere als Boxer nicht zu bieten haben. Dennoch sollte den Skeptikern dämmern, dass sie noch eine Weile mit dem Weltmeister der anderen Dimension zu rechnen haben. Der sanfte Riese hat seine begrenzten Möglichkeiten inzwischen so optimiert, dass er sich für die global schwache Konkurrenz im Schwergewicht als unüberwindlich erweisen könnte.

So wäre es Zeit für ein Kräftemessen mit IBF-Champion Wladimir Klitschko. Doch zuvor muss sich Valuev in einer Pflichtverteidigung mit dem Usbeken Ruslan Chagaev messen, während Klitschko sich im März mit Ray Austin der Nr. 1 der IBF stellt. Beide Duelle sollten voraussehbar enden, falls nicht gerade wieder ein neuer Erfolgspunch erfunden wird. BERTRAM JOB

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