: Wissen, wie und wo
Telegate bietet als erster Dienstleister einen Wissens-Service per SMS. Und verdient gut an freien Google-Infos
Das vorweg: Für die Rolle des Telefonjokers hätte sich die Wissensauskunft unter der Rufnummer 1 18 80 nicht qualifiziert. Dafür war die SMS-Antwort des in München beheimateten Informationsdienstleisters Telegate zu langsam. Die Antwort aber, die nach exakt vier Minuten und für 69 Cent auf dem Mobiltelefon einging, ist – wenigstens dem Inhalt nach – durchaus exakt zu nennen: „Ein ehrenswerter B_ckermeister Johann Jakob Koch, der um 1724 Vizeb_rgermeiseter von Berlin war und der durch seine Spenden den Bau dieser Straße erm_glichte“
Wer denn der Herr Koch war, nach dem die Berliner Kochstraße benannt sei, hatten wir den schlauen SMS-Service zuvor gefragt. Eine reichlich selbstreferenzielle Frage in diesen Tagen, zugegeben.
Unlängst war in einem Zeitungsartikel von einem Mann die Rede, der tatsächlich bis vor kurzem den Posten des Chefwissenschaftlers des Internetbuchhändlers Amazon innehatte. So weit ist man in den Callcentern von Telegate noch nicht. Immerhin aber, so Pressesprecherin Claudia Strixner, seien in der Wissensauskunft „speziell ausgebildete Operatoren“ damit beschäftigt, die Anliegen der Anrufer „nach besonders geschulten Kriterien“ aus „öffentlichen oder allgemein zugänglichen Informationsquellen“ zu befriedigen. Wobei sie es tunlichst vermied, das Wort „googeln“ zu erwähnen. Musste sie auch gar nicht, so schnell, wie die Antwort-SMS einer Passage aus der Zeit gekommen war – dem ersten Link, den die Suchmaschine zu der Fragestellung ausgeworfen hatte. Seit letztem Herbst bietet Telegate diesen Service an. Vor wenigen Tagen startete eine neue Werbekampagne für das bundesweit erste Angebot dieser Art.
Man muss nichts wissen, man muss nur wissen, wo es steht – so formulierte es der Volksmund zu einer Zeit, als genau das eben noch nicht so einfach war. Heute, in der sogenannten Wissensgesellschaft, taugt gesundes Halbwissen zum Distinktionskapital. Und ein Service wie dieser für den kleinen Wissenshunger zwischendurch. Ungefähr so teuer wie ein Schokoriegel. „Wissen nach bestem Wissen und Gewissen“, sagt Claudia Strixner dazu. Das klingt doch schön. Und schön unverbindlich. Womit das World Wide Web einmal mehr die demokratischste seiner Eigenschaften ausgespielt hätte – es ermöglicht jedem – das nötige Startkapital vorausgesetzt –, mit ihm Geld zu verdienen.
CLEMENS NIEDENTHAL
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