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Wie Nationen Lernen voneinander lernen

In einer Schule in Magdeburg studieren Lehrer aus aller Welt, wie schwer es ist, den Frontalunterricht zu überwinden

Uranio Stefane Mahanjane ist angetan. „Eine sehr moderne Schule“, sagt der Mann aus Mosambique. „Die Schüler haben sehr viel Freiheit für selbständige Beschäftigung“. Lina und Jonathan, beide 7, ist es zum Beispiel zu laut geworden im Klassenraum. Also haben sie ihre Arbeitsblätter mit in ein Zimmer genommen und arbeiten dort allein weiter.

Dafür ist Mahanjane auf Deutschlandreise gegangen. Der Dozent für Elektrotechnik an einer Gewerbeschule in Maputo will sehen, wie man eine Schule entwickeln kann. Leiterin der winter school ist Renate Girmes, Erziehungswissenschaftlerin aus Magdeburg. Zusammen mit ihr und zwei Dutzend anderen Lehrern, die der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) eingeladen hat, wird Mahanjane die Ergebnisse kommende Woche auf der Didacta vorstellen (siehe Kasten).

In der Klasse 1f der Grundschule lässt sich beobachten, wie grundlegend sich Schule verändert. Adrian ist im grünen Sternchenheft schon bei den Küraufgaben, Ina Marie knobelt noch an der Pflicht im leichteren roten Matheheft. Zwei Schüler sitzen am Computer, und Jonathan versucht die Malaufgabe zu lösen. In der 1f arbeitet jeder Schüler anders. „Ich mache nur zwei, drei Mal pro Woche was von vorne“, erzählt Lehrerin Judith Finke. „Gestern zum Beispiel wollte ich mal allen Kindern den Zahlenstrahl zeigen.“ Ansonsten ist der Unterricht individuell. Das gefällt nicht jedem der Gäste. „Ich habe gemerkt, dass die Schüler sehr viele Freiheiten haben“, ermahnt einer die Schulleiterin. „Aber sie müssen doch auch Disziplin lernen.“ Das ist er bei Heike Gruschke an der richtigen. Die ehemalige DDR-Lehrerin hat alles von der Margot-Honecker-Strenge bis Freischul-laisser-faire erlebt. „Offener Unterricht heißt nicht, dass es keine Grenzen gibt“, beruhigt sie.

Gruschke hat die Schule erst vor eineinhalb Jahren gegründet. Zusammen mit den Eltern eines französischsprachigen Initiativkindergartens hat sie für die Magdeburger Neustadt das Konzept einer neuen Schule geschrieben. „Bei Frontalunterricht sehe ich doch gar nicht, wer alles nicht mitkommt“, erzählt sie. Erst die offenen Elemente geben den Blick frei auf die langsamen wie die schnellen Schüler. Aber sie weiß auch. „Ich kann ihnen noch nicht sagen, wohin das im Detail führt“. Nicht jeder Lehrer komme mit dem Neuen klar, vieles muss man erst probieren.

Und wie zum Beweis landen zwei Lehrerinnen aus dem Senegal und zwei Südamerikaner in einer Stunde alten Stils. Der Lehrer stellt von der Tafel aus Fragen, die den einen noch zu leicht und den anderen schon zu schwer sind. Ein Teil der Klasse schaltet ab, egal wie der Lehrer auch um Aufmerksamkeit buhlt. „Ich kann kein Französisch“, sagt Michaela Meier, „aber ich hatte den Eindruck, dass viele nicht verstehen, um was es geht.“

Die Neuropädagogin Meier weiß das einzuschätzen. Sie kommt gerade aus Ecuador zurück, wo sie mitgearbeitet hat, die deutsche Schule in Guayaquil zu reformieren. Ihre Leitmotive sind jene, die Renate Girmes an die Gäste weitergeben will: Kein Konzept überstülpen, keine Theorie zum Allheilmittel erklären, bei den lokalen Bedürfnissen der Menschen ansetzen – „aber auch freimachen von den unproduktiven Konventionen der alten Industrieschule“, sagt Girmes. „Wir müssen Schule als Organisation und als Lernort neu und variabel denken.“ Das bedeute, „anpasssungsfähig zu sein an die Schülerinnen und offen für die Bedingungen vor Ort“.

Uranio Stefane Mahanjane weiß, was damit gemeint ist. Er ist bereit zu offenem Unterricht. Ob er die vielen individuellen Materialien bezahlen kann, ist eine andere Frage. „Wir in Mosambique bekommen nicht so leicht Papier, und auch Internetanschlüsse gibt es nicht überall“, sagt er. CHRISTIAN FÜLLER

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