: Guillotine auf Gleis 5
Was plant die Deutsche Bahn noch im Kampf gegen die gemeinen Raucher?
Wenn am 1. September dieses Jahres der Krieg zwischen Rauchern und Nichtrauchern in öffentlichen Räumen fürs Erste mit einem Sieg der Nichtraucher ausgehen dürfte, dann werden nicht nur die Raucherabteile in den Zügen für immer perdu ein, sondern dann wird wohl auch der Schlusspfiff für die letzten Raucherloks im Lande ertönen. Dann wird Bahnchef Hartmut Mehdorn den versprengt noch hier und da auf schmalster Spur fauchenden Dampflokomotiven den Schornstein abschrauben lassen. Denn was der Mensch nicht darf, muss konsequenterweise auch der Dampfmaschine verboten werden.
So werden anderthalb Jahrhunderte kokelnde Industriegeschichte aschkalt zu Ende gehen. Der legendäre „Adler“, der als erstes Dampfgeschoss zwischen Fürth und Nürnberg verkehrte, endet wie Phönix in der Asche und findet sich bis in den privaten Modellbahnbetrieb hinein auf dem Abstellgleis wieder. Denn auch in der Märklin-Welt darf fürderhin keine Lokomotive mehr das in den Hobbykeller hinausblasen, wofür es im echten Leben keine rechtliche Basis mehr gibt. Töfftöff ist bähbäh – es hat sich endgültig ausgepufft.
Unzählige Museumsbahnen wie die Jagsttalbahn zwischen Möckmühl und Dörzbach oder die flink „Wiesel“ genannte Wieslauftalbahn von Schorndorf nach Rudersberg werden in Zukunft nicht mehr aus eigener Kraft längs des Bahndamms schnaufen. Die Harzquerbahn hoch zum Brocken kann dieselben hinschmeißen, und kein Kuckuck weiß bald mehr, wo das Kuckucksbähnel von Neustadt an der Weinstraße nach Elmstein geblieben ist. Nur wo polnische Erntehelfer oder deutsche Hartz-IV-Empfänger künftig die Züge anschieben, wird es noch das Ausflugserlebnis mit Museumsbahnen geben.
Doch es bleiben Fragen: Wie werden all die Reisenden bestraft, die von Schaffnern der Deutschen Nichtraucherbahn erwischt werden beim heimlichen Rauchen auf der Toilette oder oben auf dem Waggondach? Werden Sie vorn auf die Lok geschnallt, um bei Tempo 300 mit frischer Luft kuriert zu werden? Und was wird mit all den „Smoking points“ genannten Raucherbereichen auf vielen Bahnsteigen, die für teuer Geld vor Jahren in fast allen belebten Bahnhöfen entstanden sind? Werden die allesamt zu Hartmut-Mehdorn-Gedächnis-Stelen umgewidmet? Oder verbindet man das Unangenehme mit dem Nützlichen und lässt an jenen Stellen Hinrichtungsstätten entstehen für all die rückfälligen Raucher? „Sehr verehrte Fahrgäste, bitte beachten Sie folgenden Hinweis: Die Regionalbahn von Singen in Richtung Schafott … – ich korrigiere – in Richtung Schaffhausen verkehrt heute nicht von Gleis 5, sondern ausnahmsweise von Gleis 3. Infolge unumgänglicher Hinrichtungen unbelehrbarer Raucher bleibt Gleis 5 für den Durchgangsverkehr heute gesperrt. Schaulustige sind allerdings auf dem Bahnsteig willkommen, wo Sie das Serviceteam der Deutschen Bahn AG mit einer kleinen Henkersmahlzeit gerne erwartet.“ Und als Guillotine werden ausrangierte Streckensignale benutzt. Wenn es nach Mehdorn ginge, kommt es genau so … REINHARD UMBACH
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