piwik no script img

Solar Valley statt Silicon Valley

Die staatlichen Subventionen zahlen sich aus: In Brandenburg nehmen drei Solarfabriken demnächst ihre Produktion auf – unter anderem in der ehemaligen Chipfabrik in Frankfurt (Oder). Bis zu 2.000 neue Arbeitsplätze sollen entstehen

VON TARIK AHMIA

Es ist eine Wiedergeburt, die viele bis vor kurzem als Spinnerei abgetan hatten: Das Pleiteobjekt Chipfabrik in Frankfurt (Oder) verwandelt sich nach vier Jahren Dornröschenschlaf in eine der modernsten Solarmodulfabriken der Welt. Ab August werden hier aus Silizium jährlich 1,2 Millionen Solarmodule produziert, die Sonnenlicht in elektrischen Strom umwandeln. 250 Millionen Euro kostete der Umbau zu der vollautomatischen Anlage. Besitzer ist das Hamburger Solarunternehmen Conergy, das zu den umsatzstärksten Solarunternehmen in Europa zählt.

Noch haben auf den 40.000 Quadratmetern Produktionsfläche Fliesenleger und Poliere das Sagen. Doch im ersten Stockwerk werden bereits die ersten riesigen Spezialmaschinen für die Siliziumverarbeitung aufgestellt und eingerichtet. 1.000 Arbeitsplätze will Conergy mittelfristig in der neuen Fabrik schaffen, 400 davon schon in diesem Jahr. Gesucht werden nicht nur Facharbeiter für die Produktion, sondern auch kaufmännische und Verwaltungsangestellte. In der Region entstehen weitere Jobs im Handwerk und im Handel.

Hektische Betriebsamkeit sollte man in der Solarfabrik nicht erwarten. Produziert wird an 365 Tagen im Jahr weitgehend automatisch. „40 Leute pro Schicht sorgen dafür, dass die Roboter laufen“, sagt Conergy-Geschäftsführer Sylvère Lau.

Das wirkt fast gespenstisch, wie man sich ein paar Kilometer weiter bei einem Gang durch die fast fertig gestellte Produktionsanlage des Conergy-Konkurrenten First Solar überzeugen kann. Der US-Solarzellenhersteller, den der Wal-Mart-Erbe John Walton 1999 gründete, hat in seiner Hightech-Solarfabrik bereits den Probebetrieb aufgenommen. Im Sommer soll die Massenproduktion starten. 400 bis 500 Menschen sollen auf den 20.000 Quadratmetern künftig arbeiten – in 12-Stunden-Schichten von 6 bis 18 Uhr und von 18 bis 6 Uhr, zwei bis drei Tage nacheinander, dann bekommen sie die gleiche Anzahl an Tagen frei. Vertraglich ist das eine 40-Stunden-Woche.

Die Branche investiert, was das Zeug hält, denn die Produktion von Solarmodulen hält mit der weltweiten Nachfrage kaum Schritt. Bei den Solarfirmen herrscht Goldgräberstimmung. Analysten sagen der Industrie bis 2020 jährliche Wachstumsraten von 20 Prozent voraus.

Nach dem Schock mit dem 2003 gescheiterten Milliardenprojekt Chipfabrik ist der Wandel für Frankfurt (Oder) zum Solar Valley ein Glücksfall. Der strukturschwachen Region wurde in den vergangen zwei Jahren ein regelrechter Solarboom beschert. Bis zum Jahresende werden Solarfirmen hunderte Millionen Euro in Brandenburger Produktionsstandorte investieren. In der Region mit 17,5 Prozent Arbeitslosigkeit können dadurch insgesamt 2.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen, hat der Bundesverband Solarwirtschaft errechnet.

Die oft beschworenen „hohen deutschen Arbeitskosten“ sind für die Hightech-Branche eine Randerscheinung. „Der Anteil der Personalkosten an den Produktionskosten liegt weit unter 10 Prozent“, sagt Conergy-Sprecher Alexander Leinhos.

Die Solarindustrie ist ein Musterbeispiel für den Wandel des Industriestandortes Deutschland. Während Billiglohnländern die niedrig qualifizierte arbeitsintensive Produktion überlassen wird, verbleibt die Wertschöpfung im Hochlohnland: Hightech-Fabriken, die, gesichert durch ein stabiles Umfeld und qualifiziertes Personal, rund um die Uhr produzieren können.

Gelockt hat allerdings auch das Geld, mit dem die Bundesregierung die Ansiedlungen unterstützt. 16 Prozent der 250 Millionen Euro, die Conergy investiert, stammen aus staatlichen Beihilfen – insgesamt 40 Millionen Euro. Bei First Solar sind es fast 40 Prozent, 45 Millionen Euro der Gesamtkosten von 115 Millionen kommen vom Staat.

Eine Garantie für den Standort gibt es natürlich nicht. Der Wettbewerb geht weiter. First Solar hat sein Werk als „Fabrik aus der Kiste“ konzipiert. Das Hightech-Werk lässt sich weltweit dorthin kopieren, wo die Rahmenbedingungen für das Unternehmen am besten sind. „Copy Smart Replication“ heißt das im Firmen-Slang. Schon nächstes Jahr soll das Frankfurter Werk von First Solar eins zu eins in Malaysia nachgebaut werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen