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Nepal feiert das Ende des Bürgerkrieges

Die Regierung und die maoistischen Rebellen unterzeichnen ein Friedensabkommen. Die ehemaligen Kämpfer treten dem Kabinett bei und erhalten Sitze im Übergangsparlament. Die Frage der Zukunft der Monarchie wird vorerst ausgeklammert

AUS DELHI BERNARD IMHASLY

Mehrere tausend Menschen sind gestern durch die Straßen von Nepals Hauptstadt Kathmandu gezogen, nachdem die Regierung aus Anlass des Friedensvertrags mit den maoistischen Rebellen den Mittwoch zum Feiertag erklärt hatte. Ministerpräsident G. P. Koirala und der Maoistenführer Prachanda hatten am Vorabend in einem Staatsakt ein Dokument unterzeichnet, mit dem der zehnjährige Bürgerkrieg offiziell beendet wurde. Bei den Kämpfen kamen mehr als 13.000 Menschen ums Leben.

Dem Friedensabkommen zufolge werden die Maoisten ab kommender Woche einer Interimsregierung beitreten, die Wahlen für ein verfassunggebendes Parlament vorbereiten soll. In dem auf 330 Abgeordnete aufgestockten Übergangsparlament werden den ehemaligen Guerillas zudem 73 Sitze eingeräumt. Sie verzichten im Gegenzug auf Gewalt, und ihre „Volksbefreiungsarmee“ von rund 35.000 Soldaten wird sich während des Wahlprozesses in von der UNO überwachte Lager zurückziehen und ihre Waffen abgeben. Auch die Armee wird ihr Waffenarsenal entsprechend reduzieren. Alle Guerillas werden amnestiert. Im Gegenzug geben sie in den von ihnen beherrschten Gebieten ihre „Volksjustiz“ auf. Entführungen, Zwangsrekrutierungen und Morde werden in Zukunft als Verbrechen gewertet. Kindersoldaten sollen ab sofort wieder zu ihren Familien zurückgebracht werden.

Die Frage der Zukunft der Monarchie wurde ausgespart. Darüber soll das verfassunggebende Parlament entscheiden. Die Beseitigung des Königsthrons ist eine zentrale Forderung der Maoisten. Sie streben, wie Prachanda am vergangenen Wochenende in Delhi erklärte, eine „präsidiale Republik“ an. Sie sehen aber ein, dass das Volk darüber entscheiden soll. Da sie wohl erkannt haben, dass die Monarchie – wenn auch nicht ihr gegenwärtiger Repräsentant – weiterhin populär ist, ziehen sie es vor, das neue Parlament darüber entscheiden zu lassen.

Die regierende Sieben-Parteien-Koalition strebt mehrheitlich die Beibehaltung der Monarchie an, wenn auch mit nur repräsentativen Funktionen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass König Gyanendra (oder sein übel beleumdeter Sohn Paras) noch lange auf dem Thron sitzen wird. Eine antimonarchische Untersuchungskommission hat den König gerade für den Tod mehrerer Demonstranten in den Straßenprotesten vom vergangenen April verantwortlich gemacht. Sie schlug dem Parlament vor, ein neues Gesetz zu verabschieden, um eine Strafverfolgung des Monarchen zu ermöglichen. Prachanda ließ in Delhi durchblicken, dass Gyanendra davor bewahrt werden könnte, wenn er sich freiwillig ins Privatleben zurückzieht.

Offen bleibt die Frage nach der Zukunft der militärischen Kader der Maoisten. Laut Prachanda sollen sie in die Armee integriert werden – keine leichte Aufgabe angesichts der royalistischen Tradition des Militärs. Laut Prachanda ist diese Haltung aber auf die oberste Offizierskaste beschränkt. In Delhi erklärte er, seine Kader hätten im Krieg oft heimliche Unterstützung von Soldaten und Offizieren erhalten. Die Maoisten lassen keinen Zweifel daran, dass der Kampf für sie nicht beendet ist. „Dies ist das Ende der Phase des Kampfs, und nun beginnt eine neue Phase“, erklärte Prachanda am Dienstag – jene der „sozialistischen Demokratie“.

Mit seiner Forderung nach einer radikalen Interpretation von Demokratie dürfte Prachanda in Nepal auf Zustimmung stoßen. Die fünfzehn Regierungen in ebenso vielen Jahren haben sich für viele Bürger als unfähig erwiesen, ihr Land mit demokratischen Mitteln aus der Armut zu führen.

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