: Der neue Torfabrikdirektor
Sensation in München: Edmund Stoiber wird Trainer des FC Bayern München
Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe und zappelte im Netz wie ein Gerd-Müller-Volley: der FC Bayern hat einen Nachfolger für Ottmar Hitzfeld, der den Club zum Saisonende verlassen will, gefunden. Seit Felix Magaths Entlassung kursierten prominente Namen aus dem elitären Kreis des europäischen Traineradels wie Mourinho, Houllier oder zuletzt Bernd Schuster. Doch wie so oft ist Bayern für eine Überraschung gut – den richtigen Namen hatte keiner der Auguren auf der Rechnung. Wie der Bayernkurier in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, will der deutsche Rekordmeister nämlich den bayerischen Noch-Ministerpräsidenten und CSU-Parteichef Edmund Stoiber als Chefcoach verpflichten. Bayern-Manager Uli Hoeneß habe bereits Stoiber kontaktiert. Zugleich sollen die Bayern auch ihre Fühler nach dem CSU-Generalsekretär Markus Söder ausgestreckt haben, der als Stoibers Co-Trainer fungieren soll.
Der FC Bayern dementierte die Meldung zwar umgehend, allerdings in vielsagend gewundener Form. „Wir stellen in aller gebotenen Deutlichkeit fest, dass bis zum heutigen Tag kein Trainer kontaktiert wurde oder irgendwelche Gespräche diesbezüglich geführt wurden. Alle derzeit aufkommenden Namen oder Spekulationen entbehren jeglicher Grundlage“, heißt es in einer Stellungnahme des Club-Vorstands. Die Betonung liegt wohl auf „Trainer“. Einer, der es besser wissen muss, ist Franz Beckenbauer, Bayern-Präsident und Stoiber-Intimus. Auf die brisante Personalie angesprochen, bricht es förmlich aus dem Kaiser heraus: „Wer den Edmund Stoiber auch nur ein bisserl kennt, weiß doch, dass der sich nach Ende seiner aktiven Politiker-Laufbahn nicht aufs Altenteil zurückzieht, dass er dringend eine neue Aufgabe braucht.“
Und was könnte ihn als glühenden FC-Bayern-Verehrer mehr reizen, als seine große Erfahrung aktiv in den Dienst des Vereins zu stellen? Edmund Stoiber, der dem Verein zwar schon lange Jahre als Verwaltungsratsvorsitzender angehört, soll nach dem Bericht des Bayernkuriers bereit sein, im Herbst die bayerische Regierungsbank mit der Trainerbank zu vertauschen. „Ich würde mich freuen, wenn Edmund die Verantwortung übernimmt. Er ist der beste Mann für diese Position, er ist ein ausgebuffter Taktiker und besitzt auch international eine große Erfahrung“, sagte Beckenbauer der Zeitung. Nach langem Zögern gab auch Karl-Heinz Rummenigge seine anfängliche Anti-Haltung auf und erklärte schließlich, auch er sei für eine Verpflichtung Stoibers. „Ich denke, wenn ein so verdienter Mann wie Edmund Stoiber das Feuer beibehält, das in ihm lodert, dann wäre es wünschenswert, dass er ins Traineramt wechselt. Ich würde das befürworten, denn einen besseren Trainer kann ich mir überhaupt nicht vorstellen.“
Geplant ist, dass Stoiber noch während der Rückrunde der laufenden Saison von Ottmar Hitzfeld im Schnellverfahren als Trainer angelernt wird. Hitzfeld gibt sich optimistisch: „Stoiber ist ein Mann mit einem derart ausgeprägten taktischen Verständnis, einer, der ein Spiel quasi blind lesen kann. Der wird seinen Weg als Meistertrainer machen.“ Keine Frage, ein so begnadeter Motivator wie Edmund Stoiber, der während seiner politischen Laufbahn oft gezeigt hat, dass er wankelmütige Anhänger in kritischen Situationen mitreißen kann, wird der zuletzt lethargischen Bayern-Mannschaft wieder neues Leben einhauchen.
Eine erste Kostprobe seines Arbeitsstils gab der zukünftige Trainer des FC Bayern bei einer Kabinenansprache in den Katakomben des Nürnberger Easy-Credit-Stadions, als die Bayern zur Halbzeit mit 0:2 gegen Nürnberg zurücklagen. Auf wippenden Sohlen stand er im Kreis der Bayernspieler und stieß im gefürchteten Stoiber-Stakkato seine taktischen Anweisungen hervor: „Wenn der … – äh, Lucio von der Strafraumgrenze aus … – äh, mit zwei Mitspielern den … – äh, angreifenden Gegner ausspielt, dann starten sie im Grunde genommen am Strafraum, am … – äh, am 16-Meter-Raum starten sie den Konter. Achtzig Meter … äh – schauen Sie sich mal die großen Stadien an, wenn Sie in … – äh, Highbury in London oder sonst wo, meinetwegen in Meazza … – äh, in … – äh, oder in Madrid, wenn Sie sich mal die Entfernungen dort ansehen, wenn sie Bernabéu sich ansehen, dann werden Sie feststellen, dass … – äh, in zwei Minuten … – äh, Sie jederzeit locker in zwei, drei Minuten vor das gegnerische Tor kommen. Wenn Sie vom Straf … – äh, von unserem Strafraum starten, Sie legen am Strafraum los, Sie spielen den Ball in … – äh, zwei Minuten vor das Tor des Gegners, mit zwei, drei Mitspielern, mit … – äh, Kurzpassspiel, das bedeutet natürlich, dass der gegnerische Strafraum im Grunde genommen näher an den FC Bayern heranwächst, weil das ja klar ist, weil im … – äh, gegnerischen Strafraum viele Laufwege von Bayernspielern zusammenlaufen. Und dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir … – äh, das Tor machen, weil, wir stehen ja praktisch schon davor …“
Kein Zweifel, Edmund Stoiber, der ausgebuffte Taktiker, wird die bayerische Torfabrik wieder gehörig auf Touren bringen. RÜDIGER KIND
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