: Pornos sind super
Problem: Pornografie wird derzeit unter zwei Gesichtspunkten verhandelt: entweder als das Böse schlechthin oder als Gegenstand akademisch-ästhetischer Debatten. Ist das Kunst, oder kann das weg? Soll man Pornos als Anschauungsmaterial im Unterricht anwenden oder lieber ganz verbieten? Schmutz und Schund. Genutzt wird das Genre jedoch weiterhin ganz pragmatisch, nämlich als Ablenkung und Anregung im öden Alltag. Genauer: als Wichsvorlage. Oder eben, und da wird es interessant, als Fortbildungsmaterial.
Lösung: Genauso, wie es falsch ist, über Sex nicht reden zu wollen, weil man damit irgendetwas „zerreden“ könnte, ist die Annahme falsch, dass der Konsum von Pornos die eigene Sexualität negativ beeinträchtigen könnte. Im Gegenteil weckt das Anschauen Interessen, von denen man vielleicht gar nicht wusste, dass sie existieren. Man kommt auf Ideen, und gerade in der Partnerschaft kann das gemeinsame Debattieren oder Kommentieren entsprechender Inhalte hilfreich sein, eventuelle Hemmungen oder Schamgefühle zu überwinden, „Oh, guck mal, das könnte mir auch gefallen“. Zudem hat sich das Angebot an spezifischer Pornografie ungeheuer ausgeweitet bzw. ausdifferenziert. Über das Netz kann man heute wirklich auf fast alles zurückgreifen, was es unter dem Sternenhimmel so gibt an sexuellen Präferenzen. PornodarstellerInnen sind übrigens, wer hätte das gedacht, ganz normale Menschen wie du und ich. So erinnere ich eine Reise zu einem Queer-Arts-Festival in Kroatien, bei der ich in Gesellschaft eines ganzen Teams von schwulen Pornodarstellern war – wir haben uns wirklich sehr gut und geistreich unterhalten. In der schwulen „Szene“ ist die Anwesenheit sowohl von Pornodarstellern als auch „Escorts“ so normal wie der Porno, der irgendwo im Hintergrund vor sich hinflimmert. Und zu Hause liegen sowohl die entsprechenden DVDs als auch Bildbände offen herum – Coffeetable-Porno. Der ganze Bereich Pornografie gehört völlig unaufgeregt zur Alltagskultur und ist keiner gesonderten Rede wert. Allenfalls tauscht man sich über Neuerscheinungen oder bestimmte Websites aus, wie andere Leute über den Buchmarkt oder das Kinoprogramm.
Hausaufgabe: Erwerben Sie pornografische Werke. Möglichst nicht im Internet, sondern mit erhobenem Haupt in einem Erotikhandel Ihrer Wahl (möglichst jedoch in unmittelbarer Nähe zu Ihrem Wohnort oder Arbeitsplatz). Nach dem Konsum legen Sie die Produkte auf Ihren Wohnzimmertisch. Ihren Freunden und Bekannten liefern Sie bitte in den folgenden Tagen präzise Inhaltsangaben, ähnlich nervtötend, wie Sie es sonst mit Kinofilmen halten.
Merke: Frisch hingeschaut ist halb erlebt.
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