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Der weiß-blaue Daumen auf dem Internet

HYPE Von wegen Facebook-Revolution: In Sascha Adameks Analyse des sozialen Netzwerks erscheint der User eher als Opfer denn als Gestalter

Es ist nicht so, dass man in diesem Buch nichts darüber erfährt, wie Facebook unser Leben verkauft. Das ist immerhin das Versprechen des Untertitels. „Die facebook-Falle“ widmet sich der Frage allerdings vorwiegend in einem einzigen Kapitel.

Sascha Adamek schildert, wie Facebook nicht nur ein Freundesnetzwerk, sondern auch ein Konsumentenverbund ist, wie sich Werbung von Adidas oder Tui zwischen die Statusmeldungen und Bilder von Freunden mischt und wie die Facebook-Betreiber mit einem Nutzer jährlich 14 bis 15 Euro im Schnitt verdienen. Vieles davon läuft über den „Gefällt mir“-Button, den Sascha Adamek: „Die Facebook-Falle erhobenen weiß-blauen Daumen, mit dem sich virtuelle Zuneigung nicht nur für das jüngste Babyfoto der besten Freundin, sondern auch für Apple oder Barack Obama ausdrücken lässt.

Facebook hat seinen weiß-blauen Daumen mittlerweile auf viele Internetseiten gelegt. Mehr als eine Million Websites übermitteln Informationen an das Netzwerk, wenn Facebook-Nutzer den „Gefällt mir“-Knopf drücken, um etwa einen Beitrag von CNN zu empfehlen. Facebook wird zu einer Weiter-sag-Plattform für politische News vom Weltgeschehen, von privater Alltagsfreud oder Arbeitsleid. Und für kommerzielle Botschaften. Man kann per Daumen Kumpels wie Produkte gern haben. Vier Millionen Fans hat etwa Adidas. Und Facebook merkt sich unsere Vorlieben.

Das Netzwerk erweitert seinen Einfluss über die eigenen Grenzen hinaus, fischt E-Mail-Adressen aus Nutzer-Accounts, setzt Cookies auf die Rechner der Facebook-Mitglieder, diese Datenkekse, die es möglich machen, die Wege im Netz zu verfolgen. Der gefährliche Unterschied zu Google: Der Suchmaschinenkonzern speichert nur die IP-Adressen, um gezielt Werbung zu schalten. Facebook dagegen kennt die Namen dahinter. Und ähnlich wie Google tut Facebook wenig, um die Vorgänge auf seinen 40.000 weltweiten Servern transparent zu machen. Nutzer und Datenschützer sind überfordert, bilanziert Adamek. Die einen wegen der unübersichtlichen Fülle an Einstellungsmöglichkeiten und versteckten Unteroptionsoptionen, die anderen wegen der Ländergrenzen, die Facebook schützen.

Facebook mache einen auf Freundschaft, argumentiert Adamek, und schleuse so Marken in unser Privatleben: „Digitale Werbebotschaften können dadurch punktgenau auf unser Gehirn gerichtet werden, weil Facebook bereits weiß, was uns interessiert.“ Das ist das wenig Differenzierte an der „Facebook-Falle“: der User als Opfer. Die Ergebnisse der sauberen Recherche werden oft allzu platt kommentiert. In der zweiten Hälfte des Buchs bringt Adamek Facebook auch noch mit fast allen Übeln dieser Erde in Verbindung, mit Päderasten, Rechten, Menschenfeinden. Der Bezug ist manchmal überhaupt nicht klar.

Nichts mit Facebook-Revolution, schimpft er. Im Gegenteil: Über das Netzwerk könnten Geheimdienste Dissidenten ausforschen. Sicher: Wenn die ihre Daten einer teils fehleranfälligen und nicht besonders datenschutzaffinen Plattform anvertrauen. Die Verantwortung des Nutzers aber blendet Adamek weitgehend aus. In einem sehr hellen Moment, ganz am Ende, überlegt er dann doch plötzlich: „Vielleicht hätte man ebenso gut fragen können, was das Telefon oder das Fernsehen im Schilde führen.“ Völlig richtig. Statt diesen Gedanken weiterzuspinnen, erwähnt der Autor aber lieber noch mal den „Vater der Atombombe“. Der habe seine Erfindung ja bekanntermaßen bereut.

JOHANNES GERNERT

■  Sascha Adamek: „Die facebook-Falle. Wie das soziale Netzwerk unser Leben verkauft“. Heyne Verlag, München 2011, 352 Seiten, 16,99 Euro

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