: „Verbände sind schon längst abhängig“
Verbraucherverbände müssen auch von der Politik unabhängig werden, so Politikwissenschaftler Frank Janning
taz: Herr Janning, die Verbraucherzentralen in NRW denken darüber nach, sich von der Wirtschaft fördern zu lassen. Gefährden sie damit nicht ihre Unabhängigkeit?
Frank Janning: Sie sind jetzt schon abhängig. Als Einrichtungen mit einer staatlichen Tradition haben sie es verpasst, unabhängig von der politischen Situation zu werden. Aber natürlich ist auch das Sponsoring gefährlich, weil es genau so abhängig macht.
Ist es in dem Fall nicht besser, von der Politik anhängig zu sein als von der Wirtschaft?
Beides ist problematisch. Wirtschaft und Politik lassen sich schließlich nicht voneinander trennen. Will man wirklich im Interesse des Verbrauchers handeln, müssen die Verbände sowohl unabhängig von der Wirtschaft als auch von der Politik sein.
Wäre ein Fonds oder eine Stiftung eine Alternative, wie sie teilweise im Ausland bestehen? Die Wirtschaftsunternehmen würden verpflichtet einzuzahlen, das Geld würde auf die Verbände verteilt.
So etwas täuscht nur darüber hinweg, dass die Verbraucherzentralen weiterhin den politischen Schwankungen unterworfen wären. Es wäre nur eine neue Form der Außenfinanzierung. Mein Ratschlag an die Verbände wäre, zu versuchen, sich durch neue Dienstleistungen und stärkere Kundenorientierung neu zu organisieren – und auch Spenden zu generieren. Das würde möglicherweise den Service etwas verteuern, würde den Verbänden aber auf lange Sicht Unabhängigkeit garantieren.
Das klingt, als sollten die Verbraucherzentralen zu Unternehmen werden.
Das führt wohl etwas zu weit. Sie müssen sich weiterhin als Verbände organisieren, aber unabhängiger sein – und dafür müssen andere Möglichkeiten zur Finanzierung gefunden werden. In den USA finanzieren sich die Verbände zum Beispiel dadurch, dass sie die Rechte ihrer Kunden mit Schadenersatzklagen vor Gericht einklagen. So kommt der Verbraucher zu seinem Recht und der Verband bekommt einen Anteil des Geldes.
Sehen Sie dann die finanzielle Notlage der Verbände am Ende als Chance an?
Chance wäre wohl zu viel gesagt. Das Problem der staatlichen Fremdorganisation war außerdem auch schon vorher bekannt. Aber es kann für die Verbände schon einen Anlass bieten, darüber nachzudenken, wie sie sich unabhängig finanzieren können: sowohl von der Wirtschaft als auch vom Staat.
INTERVIEW: JOHANNA RÜSCHOFF
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen