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Festival einer aussterbenden Art

Klassische Drucktechniken werden an westdeutschen Hochschulen kaum noch gelehrt. In Oldenburg ist nun Dank der Internationale Grafik-Triennale Krakau ein Überblick über Arbeiten zwischen Druckerpresse und Laserprinter zu sehen

aus Oldenburg ANNEDORE BEELTE

Eine Brücke zwischen Ost und West wollte die Internationale Grafik-Triennale in Krakau sein, 1964 zunächst als Biennale gegründet. Polnischen Künstlern öffnete sie ein Fenster zu westlichen Strömungen wie Pop Art und Konzeptkunst, und westliche Besucher entdeckten das Schaffen jenseits der Oder. Schon im Jahr 2000 bei der Gründung des Horst-Janssen-Museums träumte man in Oldenburg von einer Kooperation mit Krakau. Die kam dann 2003, vermittelt durch den Kunstkritiker Jürgen Weichardt, erstmals zustande.

Das Haus aber erwies sich als zu klein für das Projekt, so dass sich die Ausstellung nun mit Stützpunkten in der Artothek und der Galerie kunstück über Oldenburg ausbreitet. Für die Triennale 2006/07 kam noch das Künstlerhaus Wien als dritter Partner der Krakauer hinzu. Aus den gut 3.000 in Krakau eingesandten Arbeiten trifft in jeder Stadt, in der die Triennale Station macht, eine Jury ihre Auswahl.

In Oldenburg musste man ein wenig nachhelfen. „Namhafte Künstler bewerben sich bei der Triennale nicht“, sagt Kurt Oesterling, Leiter der Galerie kunstück. Das Festival, bei dem jeder seine Arbeiten einreichen kann, bietet jungen Künstlern die Chance auf internationale Aufmerksamkeit. In Oldenburg sind nun ab diesem Sonntag Positionen aus 98 Ländern zu sehen.

Die Beteiligung von deutschen Künstlern war dabei eher mau. Also hat man die Auswahl ergänzt um ein paar etablierte deutsche Positionen. Von dem gebürtigen Oldenburger Thomas Schütte etwa ist eine duftige Folge von Radierungen mit Prägedruck zu sehen. Blütenranken aus der Gebrauchskunst des 19. Jahrhunderts sind in das weiche Büttenpapier geprägt, darüber in Pastellfarben hingewischte Zweige gedruckt. Auch von Sigmar Polke ist eine Folge von Siebdrucken dabei. Frisch aus der Presse, wie Oesterling versichert und damit ein Beleg dafür, wie aktuell diese Technik noch immer sei.

Solche Lebenszeichen scheinen auch nötig: Wenn die Professoren für klassische Drucktechniken an westdeutschen Hochschulen, wie derzeit in Braunschweig und Münster, emeritiert werden, dann werden diese Stellen nicht mehr besetzt, berichtet Oesterling. Bei vielen Grafik-Wettbewerben hingegen sind nach wie vor nur traditionelle Druckverfahren zugelassen. Die Triennale bildet hier eine Ausnahme: Ein knappes Viertel der eingereichten Arbeiten, schätzt Jutta Moster-Hoos vom Horst-Janssen-Museum, sind mit dem Computer generiert.

Auffällig viele der davon ausgewählten Arbeiten weisen thematisch und stilistisch in die Vergangenheit, so innovativ ihre Technik auch sein mag: Da finden sich neo-barocke Trompe-l‘oeil -Spielereien, die Schärfe des Digitalfotos löst sich auf in eine Pinselstrich- Struktur, mit sepiabraunen Pflanzen-Details wird an die Altmeister der Fotografie erinnert. Einige Arbeiten entleihen die tagtraumhaften Kompositionen direkt bei den Surrealisten, inklusive des Motivrepertoires von Uhren, Gliedmaßen, vaginalen Formen. In der „Golem“-Serie von Maria Gertsovskaya bewegt ein rührend altmodischer Maschinenmensch á la Metropolis – nein, keinen High- Tech-Roboter, sondern eine gute alte Marionette.

Die Ausstellung zeigt, dass fast alles geht: von der traditionellen Griffelkunst über Materialexperimente und konstruktivistische Ansätze bis zu dem digital generierten Multi-Kulti-Rausch von Gus Mazzocca, der den Katalogumschlag ziert. Wer jetzt etwas zum Festhalten sucht, dem sei der Ostberliner Helge Leiberg ans Herz gelegt. In Ostdeutschland kommen die traditionellen Drucktechniken noch zu Ehren, wissen die Ausstellungsmacher. Leibergs Lithografien spielen mit literarischen Vorlagen und dem Mythos des Jazz, greifen ins Unbewusste, fördern Schattenreiter und lustvoll-schauerliche Folterszenen zu Tage.

Bis zum 6. Mai im Horst-Janssen-Museum/Stadtmuseum, Am Stadtmuseum 4–8 (Digitaldrucke, Lithografien, Mischtechniken), Artothek, Peterstr. 1 (Holz- und Linolschnitte), galerie kunstück, Industriestr. 1 (Siebdrucke)

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