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WERBEPAUSEEine Frage des Stils?

Wer nach Nicaragua reist, kommt an Augusto Cesar Sandino nicht vorbei. Schon der Flughafen von Managua ist nach dem Nationalhelden benannt, der in den zwanziger und dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit seiner Bauernarmee die US Marines vertrieben hat. Am Rand der Tiscapa-Lagune wacht eine rund 20 Meter hohe Silhouette des Generals über die Hauptstadt. Sandino ist leicht zu erkennen: an seinem großen, breitkrempigen Hut.

Sarah Lynn Pistorius hat ein Porträt von Sandino in Öl gemalt. Er trägt darauf keinen Hut, dafür einen modischen Pullover mit Rautenmuster der Marke Benetton; daneben das Logo des Kleiderkonzerns. Der Titel des Bildes: Sandino United Colours of Benetton. Es war der Beitrag der Künstlerin zu einer Sammelausstellung von 19 Malerinnen mit dem Titel „Frau und Kunst“, die derzeit im staatlichen Nicaraguanischen Institut für Hispanische Kultur in Managua zu sehen ist. Sandino im modischen Pullover hing nur kurz in dieser Schau und wurde dann entfernt. „Es ist nicht angemessen, den Nationalhelden im Pullover einer ausländischen Firma zu zeigen“, sagt Mirna Valverde, Sprecherin des Instituts. Das sei „respektlos“.

Pistorius ist über die Verbannung ihres Gemäldes verblüfft. „Ich wollte Sandino ins 21. Jahrhundert holen“, sagt sie. Und von wegen „Respektlosigkeit“: „Ich denke, er würde sich heute so anziehen. Schließlich trägt auch Fidel Castro Jacken von Adidas.“

Seit das Bild aus der Ausstellung verschwunden ist, wurde es in Nicaragua erst richtig berühmt. Kaum eine Zeitung hat es nicht reproduziert, Intellektuelle debattieren über die Freiheit der Kunst im sandinistischen Staat. Die Kunsthistorikerin María Dolores Torres spricht von Zensur.

Valverde aber will davon nichts hören. „Im Gegenteil“, sagt sie. „Wir respektieren Werte, Gesetze, Symbole und Nationalhelden.“ Und überhaupt: Die Künstlerin könne ihr Werk zeigen, wo sie wolle. Nur eben nicht in staatlichen Einrichtungen.

Sandino im Benetton-Pulli hat im historischen Institut der Universität von Managua Asyl gefunden. Dort hängt er direkt neben einem anderen Nationalhelden: Ruben Darío. Der Dichter trägt auf dem Porträt, wie es sich gehört, einen edlen schwarzen Anzug. TONI KEPPELER

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