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Gut aussehen

Vor der Augenklinik

Kaum setzt man die Brille ab, wird alles unscharf. Das gilt selbst für die eigene Freundin. Aber Fabian hat keine, und draußen regnet es. Er steht unter einem Betonvorsprung, als einer der Wartenden vor der Augenklinik. Ein Aschenbecher als Zentrum der Situation. Neben ihm steht ein Mann mit einem Hertha-Schal. Er setzt seine Nachmittagsbierflasche ab und öffnet den Mund. Meine Augen sind mein Kapital, hat die Nachrichtensprecherin gestern gemeint, die hat sich die Schupflider oder Schlupflider oder Schupfnudeln wegmachen lassen, erzählt er. Schlupfnudeln, haha, die anderen lachen und drücken ihre Kippen aus.

Eine Frau mit einer Wildlederhandtasche trinkt Multivitaminsaft. Die Tasche sieht wie eine Nacktschnecke aus. Weswegen sie hier ist, sagt sie nicht, vielleicht gibt es Anzeichen von grünem Star oder Altersweitsicht. Oder ein Anflug von Eitelkeit hat sie von einer Laseroperation überzeugt. The better you look, the more you see, weiß Fabian von einem amerikanischer Schriftsteller. Fragende Gesichter. Je besser man aussieht, desto besser sieht man, übersetzt er ungenau. Der Mann mit der Bierflasche lächelt maliziös. Umgekehrt vielleicht, sagt die Frau mit der Nacktschnecke. Wieder Fragezeichen. Na, je besser man sieht, desto besser sieht man auch aus, erklärt sie. Blödsinn, beschließt der Bierflaschenhalter.

In diesem Moment schreitet übergewichtiges Personal heran, macht die Tür von innen auf, mustert die Raucher abschätzig und lässt blumige Worte fallen. Trotz ihrer 30 Kilo Übergewicht wirkt sie sehr kokett. Bitte hier entlang, Sie sind gleich dran, sagt sie und stampft mit schweren Stiefeln die Treppe hinauf. Fabian folgt ihr. RENÉ HAMANN

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