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HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGERRattenfängerin

Wäre ich die Dame von der Maklerei, hätte ich meine Louis-Vuitton-Tasche nicht so großkotzig zur Schau getragen

Verträumt, fast verklemmt drängelt sich die Straße an der Rückseite des Hotels entlang, eine ruhige Wohnstraße, eine der Hauptkirchen im Rücken. Hier will jeder hin, hier ist Hafen. Hier will jeder hin, hier ist Hamburg. Die Tür zum Haus steht offen, außen hui, innen pfui, Farbe blättert eifrig im Treppenhaus von den Wänden, in dem es geschäftig vor Wohnungssuchenden wimmelt.

In der Wohnung steht die Hexe von Maklerin als gute Fee verkleidet im dunklen Wohnungsflur und drückt den Interessierten Zettel in die Hand. Die Interessierten drücken sich ihrerseits in die verschiedenen Wohnungsecken (von denen es viele gibt, denn die Wohnung ist dunkel und grottig) und füllen Formulare aus.

Wäre ich die Dame von der Maklerei, hätte ich meine Louis-Vuitton-Tasche nicht so großkotzig zur Schau getragen, zu offensichtlich wäre es, dass da verschiedentlich einsame Scheine reinflattern, wobei die Courtage der Wohnung sicherlich auch das ein oder andere Täschchen finanziell abdeckt.

Ich will sie anfahren: Ob das denn legal sei, die Miete von einem Mieter zum nächsten um rund 50 Prozent anzuheben. Will sie fragen, ob sie und ihre Firma allen Ernstes für dieses Drecksloch von 48 Quadratmetern 650 Euro warm nehmen will. Aber da drückt sie mir und den Interessierten auch schon gütig das andere Expose in die Hand. 47 Quadratmeter, um die Ecke. Mietpreis: ebenfalls 650 Euro.

Die Maklerin versammelt die verschiedenen wohlgekleideten Werktätigen um ihre Handtasche und zieht mit ihnen von dannen. Rattenfängerin von Hamburg könnte man sie wohl nennen. Oder ganz einfach die Repräsentantin von etwas zutiefst Dreckigem.

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