: Einblick (187)
Anne-Mie van Kerckhoven, Künstlerin
taz: Welche Ausstellung in Berlin hat Sie zuletzt an- oder auch aufgeregt? Und warum? Anne-Mie van Kerckhoven: Die neue Linie im Bauhaus Museum. Sie bringt interessante Einsichten in die Zusammenhänge von einander entfernten Bereichen der Gesellschaft. Beispielsweise die Massenmedien und ihre Interaktion mit dem Alltag. Praktisch und ideologisch ist das schon seit 30 Jahren ein unerschöpflicher Brunnen für meine Arbeit. Außerdem liebe ich die didaktische Schärfe, mit der Einflüsse und Entwicklungen in Medien, Kunst und Werbung dort in Beziehung gesetzt werden. Der doktrinäre Sauberkeitsgedanke hinter der trüben ästhetischen Bauhaus-Attitüde gegenüber eigentlich allem aktiviert bei mir kreative Reflexionen. Sehr erfrischend und präsent.
Welches Konzert oder welchen Klub können Sie empfehlen? Möbel Olfe: gute Musik, immer andere Atmosphäre, freundliche Leute; CCCP: prima Einrichtung, dubios, kinky, cool, interessante Leute; Zentrale Randlage: interessante Konzerte, sympathische Atmosphäre, eine Organisation mit großem Herz; Kumpelnest: Man betritt einen Film. Alle lachen und sind „gut gemützt“. Ein lustiger Laden. Ich liebe diesen Mix aller Arten von Menschen, schönen Menschen.
Welche Zeitschrift/welches Magazin und welches Buch begleitet Sie zurzeit durch den Alltag? „The Kite Runner“ von dem amerikanisch-afghanischen Schriftsteller Khaled Hosseini. Ein erstaunlich harter, grausamer und doch zärtlicher Bericht von Rassenbewusstsein und Blutverwandtschaftsobsessionen sowie über den Einfluss der Religion auf Hoffnung, Demut, Liebe und Ausdauer. Den Spiegel lese ich schon lange, ab und zu. In Belgien wurden viele Artikel gekürzt und übersetzt veröffentlicht. Darum kaufe ich ihn mir schon seit Jahren. Ich habe den Eindruck, dass ich dort viele Informationen aus erster Hand bekomme. Alle möglichen Ansichten finden sich dort. Lettre International kenne ich erst, seitdem sie in der aktuellen Ausgabe meine Zeichnungen veröffentlicht haben. Zurzeit lese ich fünf Ausgaben gleichzeitig. Interessanter Inhalt, kritisch und unabhängig.
Welcher Gegenstand/welches Ereignis des Alltags macht Ihnen am meisten Freude? Wenn ich in der Realität und in den Medien sehe, dass Menschen freundlich zueinander sind, einander spontan helfen. Dass sie tolerant sind und Geduld beim Miteinander haben und sich Zeit nehmen, um wirklich miteinander zu denken, zu reden. Es macht Spaß, sich bewusst zu machen, dass es uns hier im Westen noch immer sehr, zu gut geht. Es ist so wichtig, dass man über den eigenen Tellerrand schaut.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen