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Die Leiden der Peripherie

UMWELT In Wilhelmsburg klagen Anwohner über den Gestank einer Fettfabrik. Ihre Beschwerden sehen sie ignoriert, dabei kooperiere die Firma mit der IBA

Innerer Stadtrand

In Wilhelmsburg ballen sich unterschiedliche Landnutzungen. Die IBA 2013 arbeitet mit den daraus entstehenden Konflikten.

■ Reiherstiegviertel: Das Quartier, in dem der Puhsthof liegt, geht im Westen in ein Industriegebiet über.

■ Nordische Ölwerke: Die Firma existiert seit 85 Jahren. Sie erzeugt Grundstoffe für Kosmetika, Farben, Pharmazeutika und Lebensmittel.

■ GIRL – die Geruchsimmissionsrichtlinie regelt, wie Gestank gemessen wird und wann er als unzumutbar gilt.

Die „inneren Stadtränder“ sind eines der zentralen Themen der Internationalen Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg: Wie kann man Stadtplanung in den Übergangszonen zwischen Wohngebieten einerseits, Industrie- und Logistikflächen andererseits betreiben? Die BewohnerInnen des Puhsthofs in Wilhelmsburg haben das zur Kenntnis genommen und fragen jetzt: Wie kann es sein, dass eine Firma, die ihre Nase beleidigt, mit der IBA kooperiert?

Nicht weit vom Puhsthof nämlich produziert die Firma Walther Carroux (Nordische Ölwerke) Fettsäuren und Glyzerin aus planzlichen Ölen und tierischen Fetten. Dabei entsteht bisweilen ein Gestank, den viele AnwohnerInnen als unerträglich empfinden. „Der Geruch ruft Übelkeit und Kopfschmerzen hervor“, sagt etwa der Student Marco Antonio Reyes Loredo. „Oft kann man nicht lüften, nicht richtig durchatmen.“

Als der Gestank einmal besonders schlimm war, hat Reyes Loredo Anzeige erstattet. Das war im Juli 2009. Geändert habe sich nichts. Schlimmer noch: Die Firma werde als Partner von Hamburg Energie den Energiespeicher im ehemaligen Flakbunker Wilhelmsburg – ein Projekt der IBA – mit Wärme beliefern. „Ein Ablasshandel auf Kosten der Bewohner?“, fragt sich Loredo.

„Das Problem ist uns bewusst“, sagt IBA-Sprecher Enno Isermann. Er bestätigt die geplante Energielieferung. Die Nordischen Ölwerke seien kein offizieller Partner der IBA, trotzdem werde über Verbesserungen verhandelt. „Für uns ist Voraussetzung, dass sich bei dem Emissionsproblem was tut.“

Die Umweltbehörde räumt ein, dass sich regelmäßig Bürger über den Geruch beschwerten. Es sei aber nicht festgestellt worden, „dass die Firma mit ihren Aktivitäten die Schwelle der zumutbaren, erheblichen Belästigung überschreitet“. Das hätten Mitarbeiter des Amtes für Immissionsschutz nach Maßgabe der Geruchsimmissionsrichtlinie ermittelt, sagt Elisa Budiman von der Behörde. Wie genau, bleibt deren Geheimnis: Ein Gutachten liege nicht vor.

Die Ölwerke hätten in den vergangenen 20 Jahren mehrfach ihre Anlagen verbessert, um den Gestank zu bekämpfen, sagt Budiman. 2011 werde die Abwasserbehandlungsanlage und die Mischtechnik verbessert. „Ein gewisses Maß Geruchsimmissionen ist jedoch unvermeidbar“, sagt Budiman. GERNOT KNÖDLER

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