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Atomberater tritt aus Protest und heulend vor Ärger zurück

FUKUSHIMA Professor schmeißt Job hin, da Japan Strahlengrenzwerte anhebt. Arbeiterin verstrahlt

TOKIO dpa | Am zerstörten Atomkraftwerk Fukushima ist eine weitere Arbeiterin stärker als zulässig verstrahlt worden. Wie der Stromkonzern Tepco am Sonntag mitteilte, bekam die Frau eine Dosis von insgesamt 7,49 Millisievert ab. Erlaubt seien 5 Millisievert innerhalb von drei Monaten. Zuvor war schon eine andere Arbeiterin zu stark verstrahlt worden. Die jetzt betroffene Frau habe derzeit keine gesundheitlichen Probleme. Gefährlich sind allerdings die Langzeitfolgen – etwa ein erhöhtes Krebsrisiko. Die japanische Führung gerät wegen ihres Krisenmanagements unter Druck.

Am Wochenende hat der offizielle Atomberater der Regierung, Toshiso Kosako, seinen Job hingeschmissen. Die Regierung halte sich nicht an geltende Gesetze, beklagte der Professor für atomare Strahlung der Universität Tokio unter Tränen. Sein Eindruck sei, man wolle sich nur mit Provisorien Zeit verschaffen, suche keine echte Lösung.

Er kritisierte die Anhebung der Grenzwerte für Arbeiter in Fukushima. Auch der von der Regierung eingeführte Grenzwert von 20 Millisievert pro Jahr für die Strahlenbelastung von Schülern in der Nähe von Fukushima sei inakzeptabel – „Ich kann das als Wissenschaftler nicht zulassen“. Der Professor war im März von Ministerpräsident Naoto Kan zum Regierungsberater ernannt worden. Es kommt selten vor, dass Wissenschaftler so einen prestigeträchtigen Posten räumen.

Japaner verärgert

Ministerpräsident Kan verteidigte das Krisenmanagement. Man stütze sich auf die Empfehlungen eines Expertenkomitees, sagte er im Parlament. Das japanische Unterhaus beschloss am Samstag einen Extra-Haushalt in Höhe von umgerechnet gut 33 Milliarden Euro für den Wiederaufbau nach Erdbeben und Tsunami. Beim Volk gerät die japanische Führung aber in Misskredit.

In einer Umfrage der Agentur Kyodo erklärten 76 Prozent der befragten Japaner, sie seien unzufrieden damit, wie Ministerpräsident Kan nach Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe agiere. Knapp ein Viertel forderte seinen Rücktritt. Ein schweres Erdbeben der Stärke 9 mit anschließendem Tsunami hatte das Atomkraftwerk Fukushima I am 11. März schwer beschädigt. Der Unfall hat große Mengen Radioaktivität freigesetzt.

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