piwik no script img

Studis über Gebühr engagiert

Bochumer Studierende treten massenhaft in den Fachschaftsrat ein – und sind so von Studiengebühren befreit. Der Rektor will das nicht anerkennen. „Sie missbrauchen das Recht“

aus Bochum CHRISTIAN BECKER

Ob sie sich in diesem Jahr noch Akademikerin nennen kann? Katja Herlemann ist ratlos. Die angehende Theaterwissenschaftlerin der Bochumer Ruhr-Uni hat vergangene Woche ihre Bachelor-Arbeit abgegeben – wann und ob sie überhaupt bewertet wird, ist momentan noch ungewiss. Denn die Uni hat Herlemann quasi rausgeschmissen – weil sie sich als Fachschaftsrätin engagiert hat.

Herlemann ist Opfer eines bizarren Streits zwischen dem Fachschaftsrat und der Universität. Sein Gegenstand: Der von acht auf 134 Personen angewachsene Fachschaftsrat der Theaterwissenschaftler. Der Rat ist ein gewähltes Gremium, das vor allem Studierende berät. Dieses Engagement wird mit einer Befreiung der Studiengebühren von 500 Euro pro Semester belohnt. Aber 134 waren der Unileitung zu viel – sie löschte Ende März die Rückmeldebestätigung.

Eine Lösung der Gebührenposse ist so schnell nicht in Sicht. Laut Paragraf 5 der Gebührenordnung der Uni Bochum müssen Studierende „für die Mitwirkung als gewählte Vertreter/in in Organen der Hochschule, der Studierendenschaft, der Fachschaften oder der Studentenwerke für die Dauer der Amtszeit“ keine Studiengebühren zahlen.

Die Univerwaltung glaubt nicht an das plötzliche Engagement der Studierenden. Für sie ist klar: Bei der Aktion handelt es sich um Betrug. „Die Fachschaften sind ein Repräsentationsorgan der Studierenden“, sagt der Uni-Kanzler Gerhard Möller. Wenn nun plötzlich von 400 Studenten des Fachbereichs 134 im FR sitzen, wäre das „als ob sich mehrere Millionen Deutsche in den Bundestag wählen lassen.“ Daher sei es „ganz klar eine politische Aktion und ein eindeutiger Rechtsmissbrauch“.

Dementprechend rigoros reagierte die Uni. Die Bestätigungen der Gebührenbefreiung, die bis Ende März bereits 70 FR-Mitglieder vom automatischen Online-Rückmeldesystem erhalten hatten, wurden am 30. März kommentarlos wieder gelöscht. Alle weiteren Mitglieder des FSR können sich nicht mehr als gebührenfrei einstufen lassen. Rektor Möller entschuldigt das stille Vorgehen. Es sei der „großen Arbeitsmenge in der Verwaltung“ geschuldet.

„Der Fachschaftsrat Theaterwissenschaften wurde faktisch exmatrikuliert“, sagt Mitglied Kathrin Ebmeier. „Wir befinden uns im rechtlichen Nichtzustand, schweben im luftleeren Raum.“ Ohne eine Rückmeldebestätigung können sich die Studenten weder für Seminare noch für Prüfungen anmelden, das inbegriffene Monatsticket für den Nahverkehr entfällt.

Der Fachschaftsrat will nun einen Anwalt einschalten und Widerspruch mit aufschiebender Wirkung einlegen. Martin Ströhmeier, hochschulpolitischer Referent des Bochumer AStA, sagt: „Diesen Ärger hat natürlich niemand gewollt.“ Schließlich habe man bei der Wahl des Fachschaftsrates satzungskonform gehandelt. Nirgendwo sei eine Einschränkung der Mitgliederzahl erwähnt. Ihre hohe Anzahl mache sich nun vor allem in neuen Projekten, Zeitschriften, Lesekreisen und Theaterfahrten bezahlt. „Die Univerwaltung wusste doch seit Anfang Februar Bescheid. Da hat niemand was gesagt.“

Rektor Möller gibt das zu. „Wir haben wohl zu spät reagiert.“ Aber es sei offensichtlich, dass mit der Studiengebührenbefreiung von 134 FR-Mitgliedern ein eindeutiger Fall von „Missbrauch“ vorliege. Nun will Möller grundsätzlich die Gebührenordnung ändern. Künftig soll es eine „Kopfzahl“ für FR-Mitglieder geben. Dabei schweben ihm 20 Vertreter für 1.000 Studierende vor.

„Die Uni-Verwaltung kann die Rechtslage nicht einfach nach Laune ändern“, so Studi-Vertreter Ebmeier. Unterstützung erhält sie dabei vom bundesweiten Aktionsbündnis gegen Studiengebühren. Wenn die Ruhruni damit durchkomme, sei letztlich „niemand mehr vor der Willkür der Unileitung geschützt“, sagt Kathrin Ebmeier.

„Wir empfinden eine bedrückende Ohnmacht“, sagt Katja Herlemann. Ihr kann der Rektor nicht vorwerfen, aus Kalkül in den Fachschaftsrat eingetreten zu sein: Sie ist seit drei Jahren aktives Mitglied. Lange, bevor die Studiengebühren beschlossen wurden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen