piwik no script img

Keine Macht den Kräutermischungen

DROGEN Die Bundesregierung will „Legal High“-Rauschstoffe verbieten, doch das ist nicht einfach

Über Nebenwirkungen und richtige Dosierung ist meist wenig bekannt

FREIBURG taz | Die Bundesregierung muss bei „Legal High“-Drogen wieder Hase und Igel spielen. Weil „Legal Highs“ nicht mehr als illegale Arzneimittel gelten, sollen sie so schnell wie möglich verboten werden. Das erklärte Gesundheitsstaatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage der Linken.

„Legal Highs“ nennt man künstliche Drogen, die noch nicht in die Liste der strafbaren Betäubungsmittel aufgenommen wurden. Es geht zum Beispiel um Cannabinoide, die ähnliche Wirkung wie Cannabis haben, oder Tryptamine, die halluzinogen wirken. Für den Verkauf werden sie oft mit Kräutern versetzt und als Kräutermischungen angeboten. Andere Typen firmieren als Badesalze. Nach einer Untersuchung der Uni Frankfurt haben 9 Prozent der Frankfurter Jugendlichen schon solche Drogen probiert.

Der Kampf gegen die Mittel ist ein Wettlauf. 2012 und 2013 haben die Behörden in Deutschland 84 neue psychoaktive Substanzen festgestellt. Die Bundesregierung verbot in der gleichen Zeit per Verordnung 54 Substanzen. Weil immer neue Drogen auftauchen, ist über Nebenwirkungen und richtige Dosierung meist wenig bekannt. Das ist schlecht für Konsumenten. Das Bundeskriminalamt zählte seit 2010 weltweit 800 Vergiftungen und 20 Todesfälle im Zusammenhang mit neuen psychoaktiven Substanzen.

Um die Zeit bis zum jeweiligen Verbot zu überbrücken, haben die deutsche Polizei und Justiz in den letzten Jahren zu einem Trick gegriffen. Sie bezeichneten die neuen Drogen einfach als illegale Arzneimittel und bestraften die „Legal High“-Händler nach dem Arzneimittelgesetz.

Diesem Trick hat jedoch der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juli eine Absage erteilt. Synthetische Cannabinoide seien der menschlichen Gesundheit nicht zuträglich, also handele es sich auch um keine Arzneimittel, so der EuGH. Der Bundesgerichtshof musste daraufhin im August den Betreiber eines „Headshops“ freisprechen. Noch in der Vorinstanz hatte das Landgericht Limburg ihn zu drei Jahren Haft verurteilt – wegen unerlaubtem Inverkehrbringen von Arzneimitteln. Auch andere vergleichbare Strafurteile hat der BGH inzwischen aufgehoben.

Sind die „Legal Highs“ in Deutschland nun also bis zum jeweiligen Verbot wirklich legal? Die Bundesregierung drückt sich um ein klares Ja. Weiterhin sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob manche Substanzen nicht doch auch Arzneimittel seien. Auch könnten Verstöße gegen das Tabak- und Lebensmittelrecht vorliegen, heißt es in der parlamentarischen Antwort.

Das Bundeskriminalamt will die Strafbarkeitslücke schließen, indem künftig ganze Stoffgruppen in die Liste illegaler Betäubungsmittel aufgenommen werden. Allerdings würden dabei wohl auch Substanzen erfasst, die gar keine berauschende Wirkung haben. Die Bundesregierung prüft den Vorschlag noch.

Eine weitere Initiative kommt von der EU-Kommission. Diese hatte 2013 vorgeschlagen, neue psychoaktive Substanzen vorläufig vom Markt zu nehmen, bis sie näher untersucht sind. Allerdings sollen am Ende nur die schädlichsten Substanzen verboten werden. Diesen Ansatz lehnt die Bundesregierung jedoch ab. Im deutschen Drogenstrafrecht werde nicht zwischen geringen und hohen Risiken unterschieden. Eine Mehrheit der EU-Staaten teile diese Kritik, weshalb der EU-Vorschlag jetzt überarbeitet werden muss. Bis dahin will die Bundesregierung neue psychoaktive Substanzen so schnell wie möglich dem Betäubungsmittelgesetz unterstellen.

Die Linke sieht die Lösung derweil auf einem anderen Feld. Die „Legal Highs“ seien nur deshalb so attraktiv, weil Cannabis in Deutschland verboten ist. „Die Regierung sollte endlich das Scheitern der bisherigen Drogenpolitik zur Kenntnis nehmen“, erklärte Frank Tempel, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion. Doch die Bundesregierung lehnte eine Freigabe ab – wie zu erwarten war.

CHRISTIAN RATH

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen