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Streitfall Klimapolitik

Das Ziel ist klar. Aber es knirscht in der Koalition bei der Frage, wie man das Klima am besten schützt

VON HANNES KOCH

Eine „Straßenkarte“ hatte Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) schon vor Wochen angekündigt – ein genaues Verzeichnis der Wege zum Klimaschutz. Gestern nun legte der Minister dem Bundestag seine „Roadmap“ vor. Einige Straßen, so das Ergebnis, sind genau eingezeichnet, andere sind nur gestrichelte Linien. Wer ihnen folgt, läuft Gefahr, sich zu verfahren.

Der Begriff „Roadmap“ – politisch bekannt durch einen gescheiterten Friedensplan für Israel und Palästina – könnte ein unbeabsichtigter Hinweis darauf sein, dass auch Klimapolitik in der großen Koalition durchaus nicht unproblematisch ist, entgegen dem oft verbreiteten Eindruck. Gabriels Regierungserklärung lässt dies erahnen. Im Gegensatz zu den zuvor erzeugten Erwartungen konnte der Minister durchaus nicht vollständig beschreiben, mit welchen einzelnen Maßnahmen er seine Ziele zu erreichen gedenkt. Dies Manko aufzuspießen, ließ sich die Opposition nicht entgehen: „Die Koalition hat keine ihrer strittigen Fragen geklärt“, sagte Michael Kauch, der umweltpolitische Sprecher der FDP.

Zum Hintergrund: Heute verursacht Deutschland einen Treibhausgas-Ausstoß von knapp 1 Milliarde Tonnen pro Jahr. Um die klimaschädliche Wirkung zu reduzieren, soll die Menge bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 sinken, so Gabriel. Im Vergleich zu heute wäre dies ein Minus von 270 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr – eine gewaltige Größenordnung.

Und viel Stoff für politischen Streit. Zum Beispiel beim Thema Kraft-Wärme-Kopplung: Auf der Ebene der Ziele herrscht hier zwar Einigkeit zwischen SPD und Union. Demnach soll die umweltfreundliche Kombination aus gleichzeitiger Produktion von Strom und Wärme gefördert werden. Und auch CDU-Umwelt-Sprecherin Katherina Reiche sagt: „Wir müssen den Beitrag der Kraft-Wärme-Kopplung erhöhen.“ Bei der Wahl der Mittel allerdings beginnt die Auseinandersetzung. Nachdem die SPD schon vor geraumer Zeit einen Gesetzentwurf vorgelegt hat, kritisierte SPD-Umweltpolitiker Ulrich Kelber den Koalitionspartner: „In den konkreten Verhandlungen mit der Union kommen wir nicht weiter.“ Reiche von der CDU will dagegen nicht über Einzelmaßnahmen, sondern über ein Gesetzespaket reden. Insgesamt meint die Union erkannt zu haben, dass die Klimapolitik der SPD immer entweder die Kosten für die Verbraucher oder die Wirtschaft erhöhe. Als Gegenleistung für eine wirksamere Kraft-Wärme-Kopplung fordert Reiche deshalb ein Entgegenkommen der SPD beim Erneuerbare-Energien-Gesetz: Die garantierten Preise sollen schneller sinken.

Die Lage beim geplanten Wärme-Gesetz ist ähnlich: Rhetorisch wollen alle, dass mehr Heizwärme aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Geht es aber an die konkreten Maßnahmen, tauchen die Probleme auf. Die Union argwöhnt, dass die Sozialdemokraten die neuen Heizkessel per Umlage mit dem Geld der Kunden finanzieren wollen. Dies solle nur ein „Notbehelf“ sein, sagt dagegen SPD-Politiker Kelber.

So hakt die Arbeit der großen Koalition. Nicht nur im Bundestag, sondern auch im Kabinett. Um die deutschen Ziele beim Emissionshandel zu erreichen, plädiert Minister Gabriel neuerdings dafür, Verschmutzungsrechte an die Industrieunternehmen und Stromkonzerne zu versteigern. Das würde höhere Kosten für die Wirtschaft mit sich bringen, was den Ministern der Union nicht gefällt. Jeder dieser Punkte alleine bräuchte sich nicht zum Problem auszuwachsen. In der Summe allerdings werden sie relevant – und verstärken den Eindruck, dass die zentrifugalen Tendenzen in der Koalition nach der Debatte über Terrorbekämpfung, Erbschaft- und Unternehmensteuer auch in der Klimapolitik zunehmen.

Um diese Schwierigkeiten wissend, bezeichnete Gabriel seine Straßenkarte gestern als „sehr ehrgeizig“. Auch in der Union ist jeder sofort bereit, Gabriels Plan mit diesen Worten zu beschreiben. Das kann man auch so lesen: Dazu wird es sowieso nicht kommen. Denn schon das deutsche 40-Prozent-Ziel steht unter dem Bedingung, dass sich die EU zu 30 Prozent Kohlendioxid-Reduktion verpflichtet – was nicht eben wahrscheinlich ist. Eine Reiseroute in leuchtenden Farben zu beschreiben und sie auch zurückzulegen sind zwei unterschiedliche Dinge.

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