LESERINNENBRIEFE :
Kleiner Schönheitsfehler
■ betr.: „Mitgefühl mit dem Täter“, Kommentar von Ines Pohl,taz vom 20. 5. 11
Ihr Kommentar sprach mir aus der Seele. Leider weist er einen kleinen Schönheitsfehler auf, denn auch die taz hat über die „sexuellen Praktiken“ und „sexuellen Neigungen“ (Rudolf Balmer am 17. 5.) von Strauss-Kahn berichtet, ohne die von Ihnen im Kommentar nachgelieferte Klarstellung des Unterschieds von sexualisierter Gewalt (= Straftat) und einem „Sexskandal“ (= gesellschaftlich sanktioniertes Verhalten) zu berücksichtigen.
Ein wenig mehr Selbstkritik hätte ich mir von der Chefredakteurin der taz erhofft, statt nur auf die „Anderen“ zu zeigen, zumal die ersten empörten LeserInnenbriefe dazu ja schon in der taz abgedruckt wurden. SUSANNE GERULL, Berlin
Es gilt die Unschuldsvermutung
■ betr.: „Mitgefühl mit dem Täter“, taz vom 20. 5. 11
Bei allem Respekt für ihren Kommentar fehlt mir doch der kritische Blick auf die eigene Berichterstattung.
Die unsägliche Schlagzeile vom 16. Mai auf Seite 1: „IWF-Chef wegen Sex-Vorwürfen in Haft“ hat am 17., 18.und 19. 5. zu zahlreichen LeserInnenbriefen Anlass gegeben – und das mit Recht! Solange nichts bewiesen ist, gilt die Unschuldsvermutung: Zu diesem Zeitpunkt: Weg mit Angriffen auf die Person auf Seite 1 (Da hat sich die taz früher mal wohltuend von anderen Zeitungen abgehoben.) Zur Informationspflicht der Printpresse gehört die Darstellung – dann aber bitte sachlich exakt, wie schon viele Leser angemahnt haben (versuchte Vergewaltigung ist definitiv kein Sex-Vorwurf)!
NORBERT VOSS, Berlin
Sicht auf Frauen ändern
■ betr.: „Mitgefühl mit dem Täter“, taz vom 20. 5. 11
Schöne Analyse der Sprache und dessen, was sie symptomatisch anzeigt. Dass so mancher hochkarätige Geschäftsmann Verständnis haben mag für Strauss-Kahn und sich einfach nur denkt, dieser habe ein bisschen übertrieben, ansonsten aber nur getan, was ein Mann mit Macht eben so tun kann, kann ich mir gut vorstellen. Aber dass Medien die Ansicht verbreiten, es gehe hierbei um eine „passiv geschehene Tat“, ist skandalös.
Amüsiert las ich jedoch die Feststellung, dass es an Gleichberechtigung fehle, sowohl sprachlich als auch alltäglich. Wie könnte diese aussehen? Folgt man der Logik des Artikels, müsste es für Frauen legitim sein, Gewalt an Männern auszuüben und dabei auf Verständnis oder Mitleid zu stoßen. So gesehen hätten sie dieselben Rechte. Natürlich will das keiner, auch im Artikel wird das nicht gefordert. Wünschenswert wäre eine grundlegende Änderung in der Sicht auf Frauen und auf Gewalthandlungen von Männern, die sich in der Sprache und insbesondere in Medien niederschlägt. Beschämend, dass zu viele davon Misslagen weiter transportieren.
ANNE SCHULTZ-BRUMMER, Hamburg
Nichts gelernt
■ betr.: „Mitgefühl mit dem Täter“, taz vom 20. 5. 11
Da schreibt Frau Chefredakteurin einen Kommentar, der sich als Reaktion auf eine offensichtlich recht breite Kritik an der taz-Berichterstattung über Dominik Strauss-Kahn lesen lässt – und bekommt nicht ein einziges Mal über die Lippen, dass der sexistische Sprachgebrauch eben nicht nur die bösen anderen Medien betrifft.
Unterstrichen sei aber noch einmal, dass sich in der taz nicht nur Herr Balmer durch affirmative Sprache („DSK“ als „Schwerenöter“) entblößt. Auch Herr Braun sticht in Bezug auf die Berlusconis-Berichterstattung oft genug durch bezeichnende Sprache hervor. Etwa wenn er von Sexarbeiterinnen als „Mädchen“ spricht. So weit, so gut. Man könnte versucht sein zu denken, die taz sei nun vielleicht ein wenig sexismussensibilisiert. Weit gefehlt. In derselben Ausgabe, in der sich auch der Pohl-Kommentar findet, informiert die Bildunterschrift auf taz zwei über „frische Mädels“. Nichts gelernt. Mit Selbstkritik hatte der Kommentar offensichtlich wenig zu tun.
SILKE BUSCH, Berlin
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