: Vier Freunde nochmal versackt
PROST In der Junggesellenabschiedskomödie „The Hangover Part II“ von Todd Philipps erleben die gleichen vier Freunde wie im ersten Teil des Saufspektakels wieder die Schrecken des Morgens danach
VON WILFRIED HIPPEN
In Hollywood werden Filme wegen der Zahlen gemacht. „The Hangover Part II“ kommt etwa wegen der 485 jetzt weltweit in die Multiplexe. 2009 spielte die Komödie „The Hangover“ 485 Millionen Dollar an den Kinokassen ein, und daher war es auf den Produktionssitzungen bei Warner Bros. kaum ein gewichtiges Argument, dass es dramaturgisch kaum einen Grund für eine Fortsetzung gibt. Die Geschichte von den vier Freunden, die am Morgen nach einer Junggesellenparty in einem sowohl erbarmungswürdigen wie auch prekären Zustand aufwachen und den Rest des Film damit verbringen, sich an die Exzesse der letzten Nacht zu erinnern und deren Folgen wiedergutzumachen, war im Original bis ins letzte übelriechende Detail ausgereizt worden und somit kaum zu toppen.
Aber das große Kinopublikum scheint es nun mal zu mögen, das Gleiche nochmal vorgesetzt zu bekommen. Ein paar Variationen und Steigerungen sind dabei natürlich Pflicht, und so versacken Phil, Stu, Allen und Doug diesmal nicht in Las Vegas sondern in Bangkok und ein paar Lacher sind offensichtlich dem Ehrgeiz geschuldet, um jeden Preis noch anstößiger zu sein als im Original. Ansonsten folgt der Film nicht nur Akt für Akt für Akt sondern Szene für Szene seinem Vorgänger. Sogar einige Nebenfiguren wie der zappelige Gangster Mr. Chow wurden wiederverwertet.
Andererseits ist der Regisseur Todd Philipps eines der großen Talente der Neo-Farrelly-Schule. Bobby und Peter Farrelly machten Mitte der 90er Jahre ein paar extrem geschmacklose Komödien, die so komisch und erfolgreich waren, dass sie stilbildend wurden. Ihr „Crazy About Mary“ war vielleicht die beste Komödie des Jahrzehnts, aber inzwischen sind die Brüder längst von ihren ehemaligen Schülern Judd Apatow und Todd Philipps links überholt worden. Philipps weiß also, wie man aus peinlichen Situationen komische Szenen aufbaut, und dabei ist es nicht entscheidend, ob das Strickmuster des Films von seinem Vorgänger abgepaust wurde. Viel wichtiger ist, dass auch beim zweiten Mal die vier versackten Freunde in ihrem Entsetzen unsere volle Sympathie genießen.
Wenn Bräutigam Stu sich mit einer Gesichtstätowierung wiederfindet, kann man sich lebhaft vorstellen, was die thailändische Braut Lauren wohl davon halten wird – besonders nach der Rede ihres Vaters auf dem Polterabend, die ein furioses Crescendo von Beleidigungen ist, an dessen Höhepunkt Stu als ein „fade schmeckender Reisbrei“ betitelte wird.
Der Film hat einige von diesen inspiriert geschriebenen und gespielten Momenten, zu denen die kurzen Gastauftritte von Paul Giamatti als Gangsterboss und das große Finale mit einem grauenhaft falsch singenden Mike Tyson gehören, aber noch mehr als schon im ersten Teil entwickelt sich Zach Galifianakis zum heimlichen Star des Films.
Sein Alan ist der Joker im Katerquartett. Er ist einer von denen erwachsenen Männer, die sich weigern, erwachsen zu werden und die Judd Apatow mit seinem Filmtitel „Die 40-jährige Jungfrau“ genau auf den Punkt gebracht hat.
Alan ist wie ein kleiner Junge und richtet in aller Unschuld das größte Chaos an. Der amerikanische Kritiker Roger Ebert hat richtig bemerkt, dass statt eines drohenden dritten Teils von „The Hangover“ eine Komödie mit Alan im Mittelpunkt das lohnendere Projekt für Todd Philipps sei. Denn auch in diesem Film hat die witzigste Szene gar nichts mit all dem Kater-Elend zu tun. Sie spielt schlicht in Alans Kinder(?)zimmer, und besteht darin, dass er mit dem Zimmerservice im Hotel Mama nicht ganz zufrieden ist.
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