piwik no script img

KHALED WIEDERÜberall Schall

Das hört man bis zur Bar am Lützowplatz

Sonntagmorgen. Wieder dieses nörgelnde Schimpfen. Ich kenne es vom vergangenen Sommer. So wie dieses Lied von Khaled.

Der Nörgler klingt wie ein Spanier. Ich kenne keinen Spanier im Haus, aber die 20 Rumänen, die bis letzte Woche in der kleinen Wohnung nebenan gewohnt haben, sah ich auch nie. Sicher waren sie sehr leise und unauffällig.

Der Spanier brüllt immer auf jemanden ein. Einmal dachte ich, dass jemand leise antwortet. Im letzten August war dann noch ein anderer Nachbar an irgendetwas irre geworden. An der Liebe vielleicht. Nachts, wenn ich nach Hause kam, am frühen Morgen, wenn ich in der Hitze erwachte, spielte er immer dieses Lied von Khaled. Einmal brüllte jemand laut: „Schnauze!“, und es war eine Weile still.

Auch auf dem Tempelhofer Feld wird an diesem Sonntag überall musiziert. An der „Speakers Corner“ macht einer Lieder und schrammelt Cello dazu. In der Hasenheide auf der großen Wiese trommelt eine Trommelkombo. Auf der ersten Bank dahinter übt ein bärtiger Mann Geige. Kaum seinem Schallkreis entronnen, sitzt eine Blues-Trompete im Gebüsch. Dann explodiert ein Kanonenschlag.

Bei der Vernissage in Kleistpark rät mir der Künstler, das obere Stockwerk vor der Rede zu verlassen. Während des anschließenden „Dialogs mit Posaune“ sind dann viele Ausstellungsbesucher im heißen Dachgeschoss eingeschlossen. Schön still ist es im Garten, kurz bevor ein Mann, der aussieht wie ein Malermeister, ins E-Piano greift. Auf der Finissage am Lützowplatz singt dann Jens Friebe „In diesem Irrenhaus / In diesem Schweinestall / Wenn du es hier schaffst / Schaffst du es überall“. Das hört man bis zur Bar am Lützowplatz. Wir nehmen ein Taxi.

Spät in der Nacht zu Hause öffne ich das Fenster. Schöne Sommerluft dringt herein. Und – noch ganz leise – dieses Lied von Khaled. ANTONIA HERRSCHER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen