der sohn des milchmanns von RALF SOTSCHECK:
Warum verspüren eigentlich so viele Popmusiker den Drang, sich politisch zu betätigen, wenn es doch immer peinlich endet? Man denke an Bono, der Afrika mit Steuergeldern retten will, aber seine eigenen Groschen in einem Steuerparadies vor dem Fiskus schützt; oder an David Bowie, der in seiner Nazi-Phase mit gestrecktem Arm grüßte; oder an Sting, den Retter der Regenwälder und Kämpfer für Menschenrechte – solange diese Menschenrechte nicht in seinem eigenen Haus gelten.
Vorige Woche verloren er und seine Frau, die Gelegenheitsschauspielerin Trudie Styler, einen Gerichtsprozess wegen Diskriminierung: Sie haben ihre Köchin Jane Martin, die im achten Monat schwanger war, schikaniert und schließlich gefeuert. Das Ehepaar ließ die Köchin manchmal von Wiltshire nach London anreisen, damit sie dem Sohn ein paar Spaghetti kochte. Als sie wegen einer Mageninfektion ein paar Tage krank war, fluchte Styler: „Was glaubt sie, wer sie ist? Wenn ich sie brauche, hat sie zur Verfügung zu stehen.“ Das Gericht bescheinigte den Stings „beschämendes Verhalten“. Gordon Matthew Sumner alias Sting wurde, so heißt es in seiner Biografie, als Sohn eines Milchmanns in einem Vorort von Newcastle geboren. Eines Milchmanns! Merkwürdig.
Viele Prominente schreiben in ihren Biografien, dass sie Söhne von Milchmännern seien: Stephen Roche, Tour-de-France-Sieger; Gerhard Henschel, Schriftsteller; A. Merkel, Politiker; und sogar Maxwell Patternman, das US-amerikanische Pendant zu Max Mustermann, über den bei Wikipedia steht: „Sohn seiner leiblichen Eltern. Sein Vater war gelernter Milchmann.“ Was ist eigentlich so toll an Milchmännern? Okay, Seán Connery war früher einer von ihnen. Und Tewje, der „Fiddler on the Roof“, war sicher auch kein schlechter Bursche. Aber ansonsten sind Milchmänner das Böse schlechthin. In „Straßenalltag“, einer US-amerikanischen Oper von 1946, klatschen ein paar Frauen über das Verhalten von Anna Maurrant, die eine freudlose Ehe führt und sich in eine Affäre mit dem Milchmann Sankey verstrickt hat. Am Ende werden beide erschossen. Oder der Drogendealer Brian Brendan Wright, genannt „der Milchmann“, mit 890 Millionen Euro der reichste Kriminelle Englands, der neulich zu 30 Jahren Knast verurteilt wurde. Oder Calisto Tanzi, der größter Milchmann aller Zeiten werden wollte. Der 65-jährige Gründer des italienischen Milchriesen Parmalat stürzte über den dreistesten Finanzskandals Europas. Im Internet beschreibt ein Batzmann zehn klassische Horrorfilmrezepte. Im „Endschocker“ heißt es: „Der böse Milchmann wurde in die Pasteurisiermaschine gestoßen, und die Milchpumpe hat ihm die Innereien rausgepumpt. Die Gefahr ist gebannt. Cathy (die mit den dicken Hupen) und ihr Freund Jack sind von oben bis unten mit Blut und Molke verschmiert und fallen sich glücklich in die Arme. Als sie gehen wollen, springt der Milchmann noch einmal aus dem Tank, will nach Cathy greifen, wird aber von zwei Schüssen aus einer Polizeiwaffe niedergestreckt.“ In der alternativen Fassung überlebt der Milchmann, doch sein Sohn wird erschossen.
Ausgestingt. Abspann, The Police spielen eine Coverversion von „No Milk Today“.
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