sonntag in bremen: „Alles dreht sich“
Derwisch Cem Kültür tanzt mit Gott im La Milonga
taz: Herr Kültür, das wird keine Tanzperformance, oder?
Cem Kültür, Derwisch: Nein, das ist ein Gottesdienst. Das Sema-Ritual erfordert eine intensive spirituelle Vorbereitung. Ich habe sechs Jahre bei Sufi-Meister Scheich Kadri Yetis gelernt, anfangs nur durch Lesen und Zuhören: Es ist nötig, erst zu verstehen, wie alles begonnen hat.
Wie denn?
Am Anfang war nur Gott, und er hat sich gedreht. Und dadurch hat er in sein Inneres gesehen – seine Pracht, die Liebe. Und er hat beschlossen, sie nach außen zu kehren.
… und das Ritual wiederholt diese Drehung?
Ja. Alles dreht sich, das ganze Universum, und auch das Blut in unserem Körper. Das sieht die Wissenschaft nicht anders: Gott hat die Welt so gemacht…
Und durch die Drehung wollen Sie sich Gott nähern?
Nicht nähern! Mit ihm verschmelzen: Wenn wir in einen Spiegel schauen, sehen wir nur unser Äußeres. Das hat aber nichts mit dem zu tun, was wir sind. Unsere wahre Identität ist in dem Stück Göttlichkeit, das in uns liegt. Um das zu finden, müssen wir erst alles Weltliche zur Seite legen. Im Tanz werden wir dann der Spiegel, in dem Gott sich betrachtet.
Dann brauchen Sie keine Zuschauer.
Nein. Aber wir sind Gottes Diener: Was wir haben, müssen wir weitergeben.
Und die Vereinigung mit Gott klappt immer?
Ich habe das bei meinem Meister gelernt. Ich sage immer Gott, Gott, bei jeder Drehung, Gottgottgott…. Und irgendwann verspüre ich das Göttliche in mir.
FRAGEN: BES
Sema-Ritual: Sonntag, 17 Uhr, La Milonga, Stader Str.
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