: Winzer auf Mallorca
Vor 13 Jahren blieb Bauer Pere auf zwei neuen Stahltanks sitzen, die für Milch gedacht waren. Doch mit der neuen EU-Quote war als Milchbauer kein Geld mehr zu verdienen. Kurzentschlossen machte er mit zwei Freunden schweren Wein darin
„Anima negra“ gibt es in wenigen ausgesuchten Weinhandlungen für rund 30 Euro oder online bei www.mallorquiner.com, www.cielo-del-vino.de, www.vinos.de und anderen Anbietern. Eine preiswerte Alternative ist der „AN/2“, die Nummer zwei, Flasche ab 12 Euro. Nach Palma de Mallorca geht’s mit Air Berlin und Easyjet ab ca. 60 Euro aufwärts, wer lieber Schiff fährt: Die Fähre von Barcelona braucht acht Stunden. Und noch ein Hotel-Tipp: Unter dem Titel „Reis de Mallorca“ haben sich drei Dutzend kleine Hotels mit Charme und Charakter zusammenschlossen, in denen auf hohem Niveau gekocht wird – das Weinangebot ist entsprechend. (www.reisdemallorca.com). „Reis de Mallorca“ hat auch diese Reise unterstützt.
VON THOMAS HEINLOTH
Mallorcas schwarze Seele liebt den roten Boden rund um Felanitx. Hart wie Zement ist die Erde hier, eine rostfarbene Lasur aus Ton und Sand, festgebacken zwischen Fenchel und Oliven, Boden, der kaum etwas abgibt. Doch ein großer Wein braucht eine arme Krume. Und die schwarze Seele ist einer von Mallorcas größten. „Las animas“, die Seelen, hieß die Finca, auf der an einem Juliabend 1994 Francesc, Pere und Miguel Angel beschlossen, einen Wein zu machen, den Mallorca noch nicht gesehen hat.
Einen Wein, der nicht dünn und körperlos daherkommt, sondern „negra“, dunkel wie die Nacht. Und so läuft „Anima negra“, die „Schwarze Seele“, aus Felanitx ins Glas: beinahe blickdicht und gleichzeitig klar, wuchtig, ölig, doch kompliziert und vielschichtig, ein Tropfen, in dem man neben Beerentönen Veilchen, Muskat und Lakritz entdecken kann und den Boden, den die schwarze Seele liebt: „Phosphor“, sagt Pere, „der Ton hier steckt voll Mineralien.“
Pere war es, der damals 1994 auf zwei neuen Stahltanks sitzen blieb. Eigentlich waren die für Milch gedacht, doch mit der neuen EU-Quote war als Milchbauer kein Geld mehr zu verdienen. „Dann“, sagte Francesc, Peres alter Schulfreund und außerdem Önologe, „lass uns eben Wein drin machen.“ Heute steht kein Rind mehr in Peres alten Ställen, dafür stapeln sich Fässer aus französischer Eiche bis unters Gewölbedach. Und keiner lacht mehr über Pere, Francesc und Miguel Angel, der sich um die Finanzen kümmert. Die drei sind so wenig ländlich wie das Party- Volk in Berlin-Mitte – schlaksige Enddreißiger in coolen T-Shirts. Hohn und Spott haben sie in Felanitx ausgeschüttet über das neue Winzer-Trio, als sie anfingen, aufzukaufen, was vom Wein der Gegend übrig geblieben war.
Auf Mallorca wächst vor allem Callet, eine Sorte, die Menge bringt, doch kaum Qualität, und schon gar nicht das große Geld. Profitabler war es in den letzten Jahren, EU-Stilllegungsprämien zu kassieren. Rebstöcke wurden Kleinholz, dafür blühen an ihrer Stelle jetzt im Februar die Mandelbäume. Vom alten Weinland ist nur noch ein Flickenteppich übrig, hier eine Parzelle, dort ein kleiner Reben-Garten.
Und so wächst „Anima negra“ auf 110 verschiedenen Grundstücken. Drei lange Jahre haben Francesc, Pere und Miguel Angel gebraucht, den alten Bauern ihr Land und ihre Trauben abzuschwatzen, während die ungläubig zusahen, wie die jungen Wilden von Felanitx Rebstöcke radikal herunterschnitten, dafür das Unkraut und die Aprikosenbäume stehen ließen, um dem Boden noch mehr Wasser zu entziehen, und tonnenweise Trauben auf den Kompost warfen, weil ihnen die Qualität nicht reichte. Es hat funktioniert. Die jährlich rund 25.000 Flaschen „Anima negra“ sind meist schon verkauft, bevor sie abgefüllt werden, die schwarze Seele Mallorcas wird bis nach Japan und die USA verkauft zum Flaschenpreis von 30 Euro aufwärts.
Immer mehr aber bleibt auf der Insel. „Früher“, sagt Francesc, „war hier eine Flasche über zehn Euro so gut wie unverkäuflich.“ Doch Mallorcas Gäste sind mit den Jahren andere geworden. In die Serra de Tramuntana, Mallorcas hohe Berge, hat es schon immer die gezogen, denen Strand nicht wichtig war. An der Costa Nord gibt es gerade einmal sechs kleine Badebuchten zwischen Steineichen und uralten Olivenhainen, und die sind schwer zu erreichen. Kantig, karstig, nicht gefällig ist der Norden, die Serra de Tramuntana ist das schönste Gesicht der Insel und längst nicht mehr im Abseits.
In Valldemossa etwa muss mittlerweile anstehen, wer sehen will, wo Frédéric Chopin und George Sand dichteten und komponierten. Über 300.000 Besucher schieben sich jährlich durch das kleine Bergdorf. In Fornalutx, Mallorcas angeblich schönstem Ort, ein ockerfarbenes Sandstein-Labyrinth, das sich jasminduftend an einen Hügel lehnt, bauen sie gerade einen neuen Parkplatz, groß wie ein Fußballfeld. Und in Deià, wo einst Ava Gardner die Dorfbewohner irritierte, gibt es seit kurzem einem Polizisten, der die Reisebusse weiterschickt. „Es sind ein paar zu viel“, sagt Francesc, „aber dafür sind das Kulturtouristen. Das heißt: Sie trinken kultiviert. Wer Romanik schätzt, liebt auch einen schönen Roten.“
Seine „Schwarze Seele“ schwimmt in den Gläsern auf den Fincas rund um Valldemossa. Auf den Steinterrassen, von denen man ins Meer vor Katalonien sieht, begleitet der feine Stoff aus Felanitx zartes Lammcarré oder Kaninchen. Und manchmal wird er schon mal kistenweise für eine Dorfhochzeit bestellt, wenn es was Besonderes sein soll. „Das ist das Schönste“, sagt Francesc, „denn hier gehört er hin. Nicht nach Tokio oder nach New York, ein Wein soll nicht weit reisen.“ Ob er zufrieden ist? „Niemals“, sagt der junge, wilde Winzer, „denn ein Wein ist niemals fertig. Aber wir sind schon ganz nah dran.“
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