: Der geschickte Geschichtenerzähler
Cristian Mungiu macht wenig Aufhebens von sich. Sein früherer Kollege, der estnische Filmemacher Mait Laas, charakterisierte ihn einmal als einen Regisseur, der seine Filmprojekte ernsthaft und aus einer moralischen Überzeugung heraus betreibt. Mungiu selbst beschreibt sich als jemanden, der zunächst „lustig und überraschend“, dann „ehrlich und ernsthaft“ sein wollte und nun auf „Emotionen durch starke Bilder“ setzt. Große spontane Gesten sind seine Sache nicht. Das merkt man auch seinen Filmen an, die um krasse Alltagssituationen kreisen, durchdacht inszeniert, zunehmend nüchterner werden und an Eindringlichkeit gewinnen.
Sein erster Spielfilm, „Okzident“ von 2002, war eine Komödie über junge Rumänen, die sich in der Post-Ceaușescu-Ära mit grotesken Werbejobs über Wasser halten. Als Bierflasche arbeitet die männliche Hauptfigur, seine Kollegin als Telefonhörer. Der Film, der die Anfänge einer sich stolpernd kapitalisierenden Gesellschaft nachzeichnet, setzte vielleicht zu oft auf einen eher groben Humor. Aber immerhin sehe man ihm nicht an, kommentierte Mungiu, mit wie wenig Geld er gedreht worden sei.
Zuvor hatte der 1968 in Iasi geborene Mungiu schon verschiedene Kurzfilme gedreht sowie als Journalist und Radiomoderator gearbeitet. 2003 war er Koautor von Denis Hopper für dessen Film „Gangster“. 2005 war sein Kurzfilm „Das Mädchen und der Truthahn“ Teil des Episodenfilms „Lost and Found“, bei dem sich sechs FilmemacherInnen aus Osteuropa auf Einladung der Kulturstiftung des Bundes des weitläufigen Themas „Generation“ annahmen.
Bereits im „Mädchen mit dem Truthahn“ zielt der Humor nicht mehr auf laute Lacher, sondern erlaubt, entschlackt aufs Trocken-Groteske, einen brutal-absurden Alltag fühlbar zu machen. Dieser Alltag verlangt von jedem einen trickreichen Umgang mit Armut und Korruption, die aufgrund der bis heute maroden, vom Wirtschaftsaufschwung weitgehend unberührten staatlichen Infrastruktur vielerorts anzutreffen sind. Auch hier finden sich, wie in Mungius nun in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichneten Film „4 Monate, 3 Wochen und 2 Tage“, vor allem Frauen unverschuldet in einer No-win-Situation wieder, weil im allgemeinen Hauen und Stechen jeder die Schwäche des anderen auszunutzen weiß. Und doch gehen sie nicht unter. In seiner Dankesrede sagte der 39-Jährige: „Man braucht nicht unbedingt ein großes Budget und große Stars, um eine Geschichte zu erzählen, die die Menschen hören wollen.“ Noch vor sechs Monaten habe er nicht genug Geld für die Dreharbeiten zusammengehabt. INES KAPPERT
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen