DIE GUTSCHRIFT: Das mit dem Storno
„Haben sie sich das auch wirklich verdient?“, fragt die Frau hinter der Kasse. Sie hat ihre Brille nach oben gerückt und blickt mich jetzt prüfend an. Ihre Augenbrauen sind weit nach oben gezogen, während sich ihre Mundwinkel skeptisch nach unten biegen. Ich stehe in einem Fahrradgeschäft in der Bergmannstraße. Das fünfte Mal in nur vier Wochen und mir geht es nicht gut.
Das erste Mal war ich hier, um mir einen neuen Schlauch samt Mantel zu kaufen. Zu Hause habe ich festgestellt, dass beides nicht gepasst hat. Die nächsten drei Male war ich da, um die Gutschrift in einen Fahrradkorb für Vorne einzutauschen. „Was meinen sie, was hier los ist? Den will jeder haben“, wurde ich das erste Mal vertröstet, als es den Korb nicht mehr gab. Das zweite Mal gab es nur den Korb ohne Adapter, und den wollten sie mir nicht aushändigen. Das dritte Mal gab es nur den Adapter ohne Korb, und auch dieser wurde, nachdem er mir gezeigt worden war, schnell wieder hinter den Ladentresen gelegt.
Und heute sind beide Komponenten da. Aber die Verkäuferin hält den Korb noch fest und stellt mir ebendiese Frage: „Haben sie sich das auch wirklich verdient?“ Ich nicke energisch. Sie schiebt die Brille hoch. Ich nicke immer noch, bin mir aber nicht mehr ganz so sicher.
Die Verkäuferin beginnt den nächsten Kunden zu bedienen. Zu mir nuschelt sie: „Ich kann das mit dem Storno nicht. Der Axel ist grad bei Kaiser’s. Jetzt müssense Zwangswarten.“
Nach 25 Minuten, in denen ich unter anderem für die Verkäuferin die Dolmetscherin spiele und drei Reifen aufpumpe, schlurft Axel in den Laden. Es vergehen weitere 10 Minuten, bevor sich Axel endlich mit meinem Korb und meiner Gutschrift an den Computer stellt. Er tauscht ernste Blicke mit seiner Kollegin, schaut mir nur ganz kurz in die Augen und fragt: „Existiert die Kundin überhaupt?“
MAREIKE BARMEYER
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